Last update: 7 August 2015
Einleitung
Bevor ein Wirkstoffkandidat im Zuge klinischer Phase-I-Studien (first-in-human; zu Deutsch Erstanwendung am Menschen) Menschen verabreicht werden kann, muss er sich strengen Sicherheits- und Wirksamkeitsprüfungen in präklinischen Studien unterziehen.
Die International Conference on Harmonisation (ICH) hat die Anforderungen festgelegt, die durch ein präklinisches Programm erfüllt werden müssen, bevor ein Wirkstoffkandidat Menschen verabreicht werden darf.1 ICH-Modul 3 (präklinische Prüfung) fordert, dass die folgenden Studien durchgeführt werden:
- pharmakologische Studien,
- allgemeine Toxizitätsstudien,
- toxikokinetische und präklinische pharmakokinetische Studien und
- Wiederholungsdosis-Toxizitätsstudien.
Einige weitere präklinische Studien werden je nach Fall gemäß den spezifischen Bedingungen durchgeführt, wie etwa:
- Beurteilungen des karzinogenen Potenzials
- Phototoxozität, Immuntoxizität, Toxizität bei Jungtieren etc.
- auf biotechnischem Wege erzeugte Arzneimittel (Leitfaden gemäß ICH-Thema S62)
- lebensbedrohliche oder schwere Krankheiten – wie etwa resistente HIV-Infektion oder angeborene Enzymmangelkrankheiten, für die es aktuell keine wirksame Therapie gibt
- Arzneimittel, die innovative Therapiemöglichkeiten nutzen (zum Beispiel siRNA oder Adjuvantien in Impfstoffen), bei denen präklinische Studien verkürzt, verschoben, ausgelassen oder in das präklinische Programm aufgenommen werden können.
Die Ziele des präklinischen Sicherheitsbeurteilungsprogramms beinhalten im Einzelnen die Charakterisierung der toxischen Wirkungen, die Identifizierung der Zielorgane, eine Klärung der Dosisabhängigkeit, den Zusammenhang zwischen Toxizität und Exposition sowie potenzielle Reversibilität.
Die folgende Tabelle führt auf, welches präklinische Programm standardmäßig abgeschlossen werden muss, bevor mit dem klinischen Programm begonnen werden kann.
Art der Studie | Ziel der Studie |
---|---|
Kernstudien zur Sicherheitspharmakologie | Beurteilung der Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-, das Atmungs- und das zentrale Nervensystem |
Studien zur primären Pharmakodynamik | In-vivo– und/oder In-vitro-Studien zur Beurteilung des Wirkmechanismus/der Auswirkungen des Wirkstoffkandidaten auf das „Target“. |
Pharmakokinetische und toxikokinetische Studien | Im Rahmen von In-vitro-Studien zur Verstoffwechselung gewonnene Daten sowie Daten zur Plasmaproteinbindung bei Tieren und Menschen. Daten zur systemischen Exposition aus Toxizitätsstudien |
Untersuchungen zur akuten Toxizität | Einzeldosis-Toxizitätsstudien in zwei Säugetierspezies – diese können jedoch in Studien zur Festlegung der maximal tolerierten Dosis bei der für die Toxizitätsprüfung eingesetzten Spezies eingebunden werden. |
Wiederholungsdosis-Toxizitätsstudien | Je nach Dauer, therapeutischer Indikation und Umfang des vorgesehenen klinischen Programms variieren diese in der Länge. Die Mindestdauer beträgt zwei Wochen in zwei Spezies (davon ein Nicht-Nagetier). |
Sonstige in Betracht zu ziehende Studien | Beispielsweise Prüfung auf Phototoxizität (Auslösung einer Hautreaktion bei Lichtaussetzung) |
Die Wiederholungsdosis-Toxizitätsstudien bei Tieren sind so ausgelegt, dass sie eine ähnliche oder längere Expositionsdauer als die beabsichtigte Dauer der klinischen Prüfung beim Menschen beinhalten (siehe folgende Tabelle). Wie dargestellt würden Wiederholungsdosis-Toxizitätsstudien bei zwei Spezies (davon ein Nicht-Nagetier) für eine Mindestdauer von zwei Wochen im Allgemeinen jede klinische Prüfung von einer Dauer von bis zu zwei Wochen unterstützen. Klinische Prüfungen von längerer Dauer sollten von Wiederholungsdosis-Toxizitätsstudien von mindestens gleicher Dauer unterstützt werden. Sechsmonatige Studien bei Nagetieren und neumonatige Studien bei Nicht-Nagetieren unterstützen im Allgemeinen eine Behandlung von mehr als sechs Monaten in klinischen Prüfungen.
Maximale Dauer der klinischen Prüfung | Die empfohlene Mindestdauer der Wiederholungsdosis-Toxizitätsstudien zur Unterstützung der Durchführung von klinischen Prüfungen | |
---|---|---|
Nagetiere | Nicht-Nagetiere | |
Bis zu 2 Wochen | 2 Wochena | 2 Wochena |
Zwischen 2 Wochen und 6 Monaten | Genauso wie bei der klinischen Prüfungb | Genauso wie bei der klinischen Prüfungb |
Länger als 6 Monate | 6 Monateb,c | 9 Monateb,c,d |
a In den Vereinigten Staaten können als Alternative zu zweiwöchigen Studien erweiterte Einzeldosis-Toxizitätsstudien Einzeldosis-Studien beim Menschen unterstützen.b Unter bestimmten Bedingungen können klinische Prüfungen von einer Dauer von mehr als drei Monaten begonnen werden, sofern die Daten von 3-monatigen Studien mit Nagetieren und 3-monatigen Studien mit Nicht-Nagetieren verfügbar sind. Je nach Fall kann diese Erweiterung von chronischen, In-vivo- und Nekropsiedaten unterstützt werden.c Es kann Fälle geben, in denen eine pädiatrische Population die Hauptpopulation ist und bestehende Tierstudien Entwicklungsprobleme aufgedeckt haben. In diesen Fällen können Langzeittoxizitätstests bei Jungtieren angemessen sein.d In der EU gelten Studien von einer sechsmonatigen Dauer bei Nicht-Nagetieren als akzeptabel. Wenn jedoch Studien mit einer längeren Dauer durchgeführt wurden, ist es nicht angemessen, eine zusätzliche Studie von sechs Monaten durchzuführen. |
Die Empfehlungen für die Dauer von Wiederholungsdosis-Toxizitätsstudien, die zur Unterstützung eines Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen erforderlich sind, sind in der folgenden Tabelle aufgeführt.
Dauer der indizierten Behandlung | Nagetiere | Nicht-Nagetiere |
---|---|---|
Bis zu 2 Wochen | 1 Monat | 1 Monat |
Länger als 2 Wochen und bis zu 1 Monat | 3 Monate | 3 Monate |
Länger als 1 Monat und bis zu 3 Monate | 6 Monate | 6 Monate |
Länger als 3 Monate | 6 Monatea | 9 Monatea,b |
a Es kann Fälle geben, in denen eine pädiatrische Population die Hauptpopulation ist und bestehende Tierstudien Entwicklungsprobleme aufgedeckt haben. In diesen Fällen können Langzeittoxizitätstests bei Jungtieren angemessen sein.b In der EU gelten Studien von einer sechsmonatigen Dauer bei Nicht-Nagetieren als akzeptabel. Wenn jedoch Studien mit einer längeren Dauer durchgeführt wurden, ist es nicht angemessen, eine zusätzliche Studie von sechs Monaten durchzuführen. |
Quellenangaben
- International Conference on Harmonisation (2009). Guidance on nonclinical safety studies for the conduct of human clinical trials and marketing authorisation for pharmaceuticals M3(R2). Step 5 Geneva: ICH. Retrieved 11 July, 2021, from https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/ich-guideline-m3r2-non-clinical-safety-studies-conduct-human-clinical-trials-marketing-authorisation_en.pdf
- International Conference on Harmonisation (2011). Preclinical safety evaluation of biotechnology-derived pharmaceuticals S6(R1). Step 4 version. Geneva: ICH. Retrieved 11 July, 2021, from https://database.ich.org/sites/default/files/S6_R1_Guideline_0.pdf
Anlagen
- Präsentation: Nicht-klinische Entwicklung
Size: 396,736 bytes, Format: .pptx
Eine Präsentation zum nicht-klinischen Entwicklungsabschnitt eines Arzneimittels. Diese Präsentation behandelt Ziele der nicht-klinischen Entwicklung, Hintergrundaktivitäten (einschließlich der Herstellung des benötigten Wirkstoffs), Arten von nicht-klinischen Studien, spezifische Besonderheiten des Tiermodells, Abwägungen zum zeitlichen Ablauf und der Dauer sowie die nicht-klinischen Ergebnisse, die zu einer Einstellung der Entwicklung eines Wirkstoffkandidaten führen können.