Last update: 10 September 2015
Einleitung
Kein Arzneimittel ist risikofrei und der Nutzen und die Risiken eines Arzneimittels müssen immer gegeneinander abgewogen werden. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis sollte richtiggehend überprüft und darf nicht dem Zufall überlassen werden. Ein Versagen des Risikomanagements kann zu Krisensituationen mit schädlichen Folgen für die Patientensicherheit und öffentliche Gesundheit führen.
Risikomanagementstrategien
Warum benötigen wir eine Risikomanagementstrategie für alle neuen Arzneimittel?
Das Ziel einer Risikomanagementstrategie ist es, sicherzustellen, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels im Laufe der Zeit, wenn es unter realen Bedingungen angewendet wird, weiterhin positiv bleibt. Randomisierte kontrollierte Studien stellen selten das „wahre Leben“ akkurat dar. Die Gesundheitsbehörden haben zunehmend neue Verordnungen eingeführt, die von Unternehmen fordern, das Risiko all ihrer Arzneimittel proaktiv zu managen.
Arten von Risiken
Identifiziertes Risiko
Es liegt angemessene Evidenz für den Zusammenhang zwischen dem Arzneimittel und dem Bestehen eines Risikos vor.
Potenzielles Risiko
Es liegt eine gewisse Grundlage für den Verdacht auf einen Zusammenhang zwischen dem Arzneimittel und dem Bestehen eines Risikos vor. Dieser Verdacht ist jedoch nicht bestätigt.
Fehlende Informationen
Es liegen unzureichende oder keine Daten vor. Es müssen in der Regel mithilfe eines Risikomanagement-Plans zusätzliche Daten oder zusätzliche Evidenz erhoben werden.
Signalerkennung
Hierbei handelt es sich um Informationen, die aus einer oder mehr Quellen hervorgehen und Hinweise auf Folgendes geben:
- ein neuer potenzieller Kausalzusammenhang zwischen einer Intervention und einem Ereignis, oder
- ein neuer Aspekt eines bekannten Zusammenhangs zwischen einer Intervention und einem Ereignis (oder eine Reihe mit einander in Zusammenhang stehender Ereignisse).
Der Zusammenhang kann entweder unerwünscht oder von Nutzen sein und wird als wahrscheinlich genug beurteilt, um eine Überprüfung zu rechtfertigen.
Risikomanagement-Plan
Beim Risikomanagement handelt es sich um den Prozess zur Messung oder Beurteilung von Risiken und der Entwicklung von Strategien zu deren Management. Das Risikomanagement beruht auf drei Säulen:
- Sicherheitsprofile
Alle Risiken (identifizierte oder potenzielle) werden zusammen mit einem Eintrag darüber, was bezüglich der Sicherheitsinformationen fehlt, erfasst.
- Risikobeurteilung oder PharmakovigilanzplanHierbei handelt es sich um den Plan zur weiteren Identifizierung, Charakterisierung und Beurteilung von Risiken. Er enthält sowohl routinemäßige als auch zusätzliche Pharmakovigilanz-Aktivitäten.
- Risikomanagement-Plan (RMP)
Hierbei handelt es sich um den Plan zur Risikominimierung; er ist ein wesentlicher Bestandteil des Risikomanagement-Plans (siehe unten). Er enthält sowohl routinemäßige als auch zusätzliche Maßnahmen zur Risikominimierung.
Spezifische Verordnungen in Europa
Die Gesetzgebung im Hinblick auf die Pharmakovigilanz entwickelt sich fortlaufend weiter. Die Risikomanagement-Pläne und damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen unterscheiden sich von Land/Region zu Land/Region, um sich an die Gesundheitsinfrastruktur, regulatorischen Anforderungen und den gesetzlichen Rahmen der einzelnen Länder anzupassen.
Allerdings ist das Endziel aller Risikomanagement-Pläne das gleiche: das Sicherstellen der Patientensicherheit. In der Europäischen Union spricht man vom Risikomanagement-Plan (RMP). Risikomanagement-Pläne müssen von Unternehmen vorgelegt werden, sobald sie einen Antrag auf Marktzulassung in der Europäischen Union stellen. Allerdings müssen diese Pläne ständig aktualisiert und überarbeitet werden, solange das Arzneimittel auf dem Markt ist. Auch zu anderen Zeitpunkten kann die EMA einen Risikomanagement-Plan verlangen, oder wenn es Bedenken gibt, dass ein Risiko das Nutzen-Risiken-Verhältnis eines bestimmten Arzneimittels beeinträchtigt.
Arzneimittel unter zusätzlicher Überwachung
Als Teil der Pharmakovigilanz-Gesetzgebung verfügt die EU über ein Verfahren, dass festlegt, dass alle Arzneimittel, die einer zusätzlichen Überwachung unterliegen, mit einem schwarzen, auf dem Kopf stehenden Dreieck (▾) gekennzeichnet sein müssen. Das schwarze, auf dem Kopf stehende Dreieck wird immer bei einem Arzneimittel angegeben, um darauf hinzuweisen, dass es einer zusätzlichen Überwachung, in der Regel über einen Zeitraum von fünf Jahren, unterliegt. Ziel des Symbols ist es, Patienten und Ärzte zu informieren und dazu anzuhalten, jeglichen Verdacht auf Nebenwirkungen über die jeweiligen nationalen Meldesysteme mitzuteilen, so dass neu aufkommende Informationen effizient analysiert werden können. Das Melden ist grundlegend und ergänzt alle anderen Pharmakovigilanz-Aktivitäten, um die Risiken und das Sicherheitsprofil eines neuen Arzneimittels im „wahren Leben“ zu verstehen.
Andere Arzneimittel können beruhend auf einer Entscheidung des Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA ebenfalls einer zusätzlichen Überwachung unterzogen werden. Daten aus diesem Meldesystem werden als Teil der kontinuierlichen Beurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses aller Arzneimittel während ihres Lebenszyklus analysiert.
Zusammenfassung
- Risikomanagement wird zunehmend als notwendig erachtet, um das Nutzen-Risiko-Verhältnis im „wahren Leben“ zu verbessern. Die Maßnahmen zur Risikominimierung sollten in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Risiken stehen und die Anwendung des Arzneimittels bei angemessen ausgewählten Patienten nicht verhindern.
- Das Risikomanagement kann eine Herausforderung darstellen und teuer sein, aber es ist notwendig und letztlich lohnenswert und eine Rückversicherung. Es ermöglicht es, Vertrauen zwischen Unternehmen und Interessengruppen aufzubauen (Transparenz).
- Risikomanagement wird zunehmend zu einem Eckpfeiler für nachhaltige Marktverfügbarkeit komplexer Arzneimittel (zum Beispiel Arzneimittel für neuartige Therapien).
- Risikomanagement ist eine Chance, Patienten zu schützen, Krisen zu vermeiden und das Wissen über die Arzneimittel zu verbessern.
Quellenangaben
- European Commission (2008). Volume 9A of the rules governing medicines in the European Union – Guidelines on pharmacovigilance for medicines for human use. Retrieved 12 July, 2021, from https://ec.europa.eu/health/sites/default/files/files/eudralex/vol-9/pdf/vol9a_09-2008_en.pdf
- European Medicines Administration (2014). Guideline on good pharmacovigilance practices (GVP) Module V – Risk management systems (Rev 1). Retrieved 1 September, 2015, from https://www.ema.europa.eu/en/documents/scientific-guideline/guideline-good-pharmacovigilance-practices-module-v-risk-management-systems-rev1-superseded_en.pdf
- European Parliament (2012). Regulation (EU) No 1027/2012 amending Regulation (EC) No 726/2004 as regards pharmacovigilance. Retrieved 12 July, 2021, from https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:316:0038:0040:EN:PDF
- European Parliament (2012). Directive 2012/26/EU amending Directive 2001/83/EC as regards pharmacovigilance. Retrieved 12 July, 2021, from https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2012:299:0001:0004:EN:PDF
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