Sicherheitsmitteilung

Last update: 17 November 2016

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Was ist eine Sicherheitsmitteilung?

Mit Sicherheitsmitteilungen werden Behörden, Mediziner und Patienten von unerwünschten Wirkungen und anderen Erkenntnissen über Risiken benachrichtigt. Es handelt sich um einen Sammelbegriff für verschiedene Arten von Informationen, zum Beispiel die Produktinformationen in der Zusammenfassung der Produktmerkmale (der so genannten Fachinformation), in der Packungsbeilage und Produktetikettierung sowie die öffentlichen Beurteilungsberichte. Sicherheitsmitteilungen werden von den Inhabern der Marktzulassungen und den Gesundheitsbehörden herausgegeben und können Einschränkungen, Gegenanzeigen (Situationen, in denen ein Arzneimittel nicht angewendet werden darf, weil dies dem Patienten schaden kann), Dosisbegrenzungen, Warnungen und Empfehlungen enthalten.

Ziele von Sicherheitsmitteilungen sind:

  • unerwünschte Wirkungen bei Patienten vermeiden
  • zeitnahe, evidenzbasierte Informationen zur sicheren und wirksamen Anwendung von Arzneimitteln und der korrekten klinischen Behandlung der Patienten bereitstellen
  • Änderungen gewohnter medizinischer Abläufe (auch bei Selbstmedikation) erleichtern, wo dies nötig ist
  • Einstellungen, Entscheidungen und Verhalten in Bezug auf die Anwendung von Arzneimitteln ändern
  • ein risikoarmes Verhalten unterstützen und
  • durch Informationen Entscheidungen über die vernünftige Anwendung von Arzneimitteln ermöglichen

Sicherheitsmitteilungen sind Teil der Verantwortung für die öffentliche Gesundheit; sie sind wichtig für die Erreichung der Ziele der Pharmakovigilanz und die Förderung der vernünftigen, sicheren und wirksamen Anwendung von Arzneimitteln, für die Vermeidung von Schäden durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen sowie für den Schutz der Patienten und der öffentlichen Gesundheit.

Warum sind Sicherheitsmitteilungen wichtig?

Sicherheitsmitteilungen sind ein wichtiges Instrument bei der Vorbeugung unerwünschter Arzneimittelwirkungen (ADRs, adverse drug reactions).

Die Mitteilung von Sicherheitsinformationen kann Folgendes beinhalten:

  • Erkenntnisse aus der praktischen Erfahrung, die berichtet und analysiert worden sind
  • Empfehlungen über die richtige klinische Handhabung der Patientenbehandlung

Sicherheitsmitteilungen, die für Patienten bestimmt sind, können auch

  • die Einstellung von Patienten gegenüber bestimmten Arzneimitteln beeinflussen,
  • zur Vermeidung möglicher Nebenwirkungen beitragen,
  • Medikationsfehlern vorbeugen,
  • Patienten über die sichere Anwendung ihrer Arzneimittel aufklären.

Wie werden Sicherheitsinformationen erfasst, nachdem ein Arzneimittel auf dem Markt ist?

Nachdem ein Arzneimittel die Marktzulassung (MA, marketing authorisation) erhalten hat und sobald es an Patienten verabreicht wird, ist es unerlässlich, dass das Sicherheitsprofil des Arzneimittels weiterhin beobachtet wird. Obwohl das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Arzneimittels vor Erteilung der Marktzulassung sorgfältig untersucht wird, ergibt die Erfassung und Beobachtung von Daten über längere Zeiträume und bei größeren Patientenzahlen ein besseres Bild des Nutzen-Risiko-Verhältnisses unter echten Praxisbedingungen und lassen sich auch sehr seltene Nebenwirkungen erkennen. Es ist daher unerlässlich, dass die Sicherheit aller Arzneimittel während ihrer gesamten Anwendung überwacht wird.

Die Inhaber der Marktzulassung sind nach der Markteinführung für die Erhebung, Prüfung und Analyse spontaner Fallberichte von vermuteten unerwünschten Arzneimittelwirkungen verantwortlich, die von Patienten und Medizinern gemeldet, in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben und andernorts zu finden sind. Sie müssen Berichte über unerwünschte Ereignisse zeitnah weitergeben, wenn dringende Sicherheitsprobleme, wie beispielsweise schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, erkannt werden. In der EU müssen die Inhaber von Marktzulassungen diese Informationen über das EudraVigilance-System melden. EudraVigilance ist eine zentralisierte europäische Datenbank vermuteter unerwünschter Wirkungen von Arzneimitteln, die im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zugelassen sind oder in klinischen Studien geprüft werden. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) betreibt das System im Auftrag des Netzwerks der Arzneimittel-Zulassungsbehörden der Europäischen Union (EU). Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA wertet Signale aus EudraVigilance aus und kann Empfehlungen für behördliche Handlungen aussprechen.

Yellow Card-System – ein Beispiel für die Erfassung von Sicherheitsinformationen

In Großbritannien betreiben die britische Arzneimittelbehörde Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) und der Arzneimittelausschuss Commission on Human Medicines (CHM) ein Programm für spontan gemeldete ADR-Berichte namens „Yellow Card-System“. Es fungiert als Frühwarnsystem für die Identifikation bislang unbekannter unerwünschter Wirkungen. Patienten können mithilfe des Yellow Card-Systems eventuelle Nebenwirkungen melden, die sie während der Anwendung eines Arzneimittels bei sich beobachten, und Eltern oder Pflegepersonen können dies für Nebenwirkungen tun, die bei ihren Schutzbefohlenen auftreten. Auch Mediziner können unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln melden.

Die über das Yellow Card-System gesammelten Informationen nutzt die MHRA bei der Identifikation und Untersuchung von Risikofaktoren, die sich auf die klinische Versorgung von Patienten auswirken können. Informationen über den Nutzen und die Risiken eines Arzneimittels können Medizinern und Patienten dabei helfen, besser informierte Entscheidungen über Behandlungsoptionen und den Umgang mit etwa auftretenden ADRs zu treffen.

Web-RADR – eine App zum Sammeln von Sicherheitsinformationen

Das IMI-Projekt WEB-RADR (https://web-radr.eu) hat in Zusammenarbeit mit nationalen Gesundheitsbehörden drei Smartphone-Apps entwickelt, mit deren Hilfe Patienten, Angehörige und Mediziner unerwünschte Arzneimittelwirkungen (ADRs, adverse drug reactions) melden und aktuelle Informationen und Meldungen erhalten können.

  • UK (Yellow Card) – Beginn 14. Juli 2015
  • Niederlande (LAREB) – Beginn 29. Januar 2016
  • Kroatien (HALMED) – Beginn 18. Mai 2016

Wichtigste Merkmale:

  • Praktische Alternative zu Papierformularen oder elektronischen Meldeformularen
  • Einfache Meldung von Nebenwirkungen
  • Kostenlos für jedermann auf iOS und Android
  • Ermöglicht dem Anwender Folgendes:
    • Erstellen einer „Beobachtungsliste“ von Arzneimitteln für den Empfang amtlicher Neuigkeiten und Meldungen
    • Anzeige der Anzahl von Berichten, die bei der zuständigen nationalen Behörde (MHRA, LAREB oder HALMED) für Arzneimittel von Interesse eingegangen sind
    • sofortige Anzeige der Annahme des ADR-Berichts
    • Möglichkeit der Aktualisierung bereits eingereichter ADR-Berichte
    • Anzeige der bereits vorher über die App eingereichten ADR-Berichte

Wie werden neue Sicherheitsmitteilungen kommuniziert?

Sicherheitsmitteilungen alleine bringen noch keine verbesserte Sicherheit – das tun die Reaktionen auf diese Berichte, wenn dadurch Veränderungen erreicht werden. Wenn beispielsweise neue Sicherheitsbedenken für ein Arzneimittel aufgetreten sind, werden die Sicherheitsinformationen in der Packungsbeilage und in der Zusammenfassung der Produktmerkmale (Fachinformation) aktualisiert.

Je nach Schweregrad der neuen Sicherheitsinformationen können unterschiedliche Kommunikationskanäle verwendet werden. Einige Beispiele:

  • Direkte Mitteilung an Angehörige der Gesundheitsberufe durch den MAH oder die zuständigen nationalen Behörden.
  • Veröffentlichungen in leicht verständlicher Sprache (z. B. in Frage-Antwort-Form), anhand derer Patienten und die Öffentlichkeit die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Abhilfemaßnahmen in Bezug auf die Sicherheitsbedenken nachvollziehen können.
  • Pressekommunikation, z. B. Pressemitteilungen und Informationsveranstaltungen für Journalisten. Die Presse ist ein wichtiger Kommunikationskanal für das Erreichen einer größeren Öffentlichkeit. In den Fällen, wo ebenfalls eine direkte Kommunikation an Angehörige der Gesundheitsberufe ergeht, müssen diese die Informationen jedoch vorher oder zur selben Zeit erhalten.
  • Websites der zuständigen nationalen Behörden und MAHs, auf denen leicht verständliche und leicht zugängliche Informationen bereitgestellt werden können. Die neue Gesetzgebung zur Pharmakovigilanz sieht vor, dass die EU eine größere Rolle in der Online-Veröffentlichung von Sicherheitsinformationen spielen wird, indem ein EU-weites Web-Portal über Arzneimittel eingerichtet wird, in dem Informationen über alle Arzneimittel zur Verfügung stehen, die in der EU zugelassen sind, sowie Links zu Arzneimittel-Web-Portalen auf nationaler Ebene.
  • Andere Web-basierte Kommunikationskanäle wie soziale Medien.
  • Informationsblätter und Newsletter der zuständigen Behörden.
  • Zwischenbehördliche Kommunikation, beispielsweise Sprachregelungen für die Mitarbeiter bei der Beantwortung externer Anfragen oder der Kommunikation zu bestimmten Sicherheitsfragen.
  • Von den MAHs oder den zuständigen Behörden eingerichtete Systeme für die Beantwortung von Anfragen einzelner Bürger.
  • Wissenschaftliche Zeitschriften und Veröffentlichungen von Berufsverbänden.
  • Websites oder Publikationen von Patientenorganisationen.

Die Kommunikation mit Angehörigen der Gesundheitsberufe ist ein wichtiger Bestandteil der Pharmakovigilanz. Dies kann weltweit oder national organisiert sein. Manche Kliniken und Krankenhäuser haben beispielsweise spezielle Befragungsinstrumentarien, mit denen unter Anderem gezielt Meinungen und Rückmeldungen von Patienten über eine bestehende Behandlungsmethode eingeholt werden.

Welche Rolle spielen Patienten bei Sicherheitsmitteilungen?

Die Einbeziehung von Patientenwissen und -erfahrungen in den verschiedenen Stadien der Entwicklung, Beurteilung, Zulassung und Überwachung von Arzneimitteln ist von großer Bedeutung. Patienten sollten bei der Identifikation und Kommunikation von Behandlungskomplikationen und unerwünschten Ereignissen eingebunden werden.

Momentan sind Patientenvertreter über die EMA an diesen Aktivitäten beteiligt. Im Hinblick auf Sicherheitsmitteilungen geschieht derzeit Folgendes:

  • Im Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) ist ein Patientenvertreter als Vollmitglied vertreten,
  • die EMA hat ein Pilotprojekt zur Beteiligung von Patienten an Diskussionen im Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) gestartet und
  • Patienten werden zu Fragen wie Umgang mit der Erkrankung, Lebensqualität und Machbarkeit von Risikomanagement-Programmen gehört.

Das Melden von unerwünschten Ereignissen ist eine wichtige Verantwortung. Die Erfassung, Beurteilung und Analyse von Informationen über unerwünschte Ereignisse kann Folgendes bewirken:

  • Änderung der Produktinformationen und des Nutzen/Risiko-Profils eines Arzneimittels
  • Identifikation von Risiken
  • Aufdecken möglicher Unsicherheiten im Gesundheitssystem

Patienten können an der Meldung unerwünschter Ereignisse aktiv teilnehmen – beispielsweise über Programme wie das Yellow Card-System oder durch Nutzung einer WEB-RADR-App. Patienten achten beim Berichten vermuteter ADRs auf andere Dinge als Mediziner – obwohl es große Überschneidungen gibt. Sie können neue potenzielle Sicherheitssignale auslösen und vermutete ADRs detailliert genug beschreiben, um nützliche Informationen über einen möglichen ursächlichen Zusammenhang und die Auswirkungen auf das Leben der Patienten beizusteuern (1).

Quellenangaben

  1. Avery AJ, Anderson C, Bond CM, Fortnum H, Gifford A, Hannaford PC, et al. Evaluation of patient reporting of adverse drug reactions to the UK Yellow Card Scheme: literature review, descriptive and qualitative analyses, and questionnaire surveys. Health Technol Assess 2011; 15 (20). http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21545758

 

A2-5.28-V1.0

 

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