Ethik-Kommissionen (REC, Research Ethics Committees)

Last update: 15 Juli 2015

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Einleitung

Eine Ethik-Kommission (REC, Research Ethics Committee) beurteilt die ethische Akzeptabilität der geplanten Forschungstätigkeit, bevor Teilnehmer in eine Studie aufgenommen werden können. Zusätzlich untersucht die Ethik-Kommission bestimmte finanzielle und wissenschaftliche Aspekte im Zusammenhang mit der geplanten Studie.

Autorität, Funktion und Mandat von Ethik-Kommissionen

Die Zusammensetzung, der rechtliche Status und die Arbeitsweise von Ethik-Kommissionen unterscheiden sich von Land zu Land. Ethik-Kommissionen werden üblicherweise durch die Behörden oder durch eine institutionelle Autorität (z. B. Krankenhaus, Forschungsinstitut oder Universität) eingesetzt.

In manchen Fällen können Ethik-Kommissionen auch von privaten Organisationen eingesetzt werden, jedoch müssen diese möglicherweise der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig sein (zum Beispiel durch eine Akkreditierung). Es lässt nur wenig darauf schließen, dass sich Ethik-Prüfungen durch private Ethik-Kommissionen qualitativ von Ethik-Prüfungen durch Ethik-Kommissionen mit einem Mandat einer öffentlichen Einrichtung oder Organisation unterscheiden.

Ethik-Kommissionen tragen dazu bei, das Wohlbefinden, die Sicherheit und den Schutz von Forschungsteilnehmern sicherzustellen. Um dies zu erreichen, muss vor Aufnahme der Forschungstätigkeit eine Ethik-Prüfung beauftragt und eine befürwortende Stellungnahme der Ethik-Kommission eingeholt und die laufende Forschung kontinuierlich überwacht werden.

Unabhängigkeit von Ethik-Kommissionen und ihren Mitgliedern

Ethik-Kommissionen müssen von Sponsoren, Geldgebern und Investoren unabhängig sein und dürfen keinen unzulässigen Einflüssen (z. B. politischer, institutioneller, beruflicher oder gewerblicher Art) unterliegen. Das stellt sicher, dass das Interesse der Forschungsteilnehmer an erster Stelle steht.

Es ist nicht ganz leicht, die Unabhängigkeit einer Ethik-Kommission sicherzustellen. Es erfordert angemessene Verantwortlichkeit (es muss also sichergestellt werden, dass die richtigen Personen die Verantwortung tragen) und eine ausgewogene Zusammenstellung der Mitglieder. Die Mitglieder einer Ethik-Kommission dürfen keinem Interessenkonflikt unterliegen bzw. müssen etwaige Interessenkonflikte ordnungsgemäß handhaben und deklarieren. Mitglieder einer Ethik-Kommission, die einem Interessenkonflikt unterliegen, müssen möglicherweise von Entscheidungen hinsichtlich bestimmter Studienprotokolle ausgeschlossen werden.

Zusammensetzung und Organisation

Eine Ethik-Kommission setzt sich typischerweise aus Mitgliedern zusammen, die in ihrer Gesamtheit über die Qualifikationen und Erfahrungen verfügen, um eine ordnungsgemäße Prüfung der ethischen, wissenschaftlichen, medizinischen und finanziellen Aspekte einer Studie sicherzustellen. In vielen Ländern müssen der Ethik-Kommission Mitglieder aus dem nicht-medizinischen Bereich angehören. Die Berufung von Mitgliedern durch die anerkannte Autorität sollte in einem etablierten Verfahren und für einen festen Zeitraum erfolgen. Ethik-Kommissionen können externe Experten, die nicht Mitglied der Kommission sind, zu Beratungen hinsichtlich eines Projekts hinzuziehen.

Ordnungsgemäß konstituierte Ethik-Kommissionen und standardisierte Abläufe (SOPs, Standard Operating Procedures)

Ethik-Kommissionen müssen sicherstellen, dass ihre schriftlich niedergelegten Abläufe den einschlägigen gesetzlichen und/oder institutionellen Bestimmungen sowie ihren eigenen SOPs genügen.

In manchen Ländern legen die regulatorischen Richtlinien fest, dass die folgenden Aspekte in den SOPs einer Ethik-Kommission geregelt sind:

  • Durchführung von Besprechungen
  • Formale Anforderungen an Anträge auf ethische Prüfung
  • Prozess der Entscheidungsfindung in angekündigten Besprechungen einschließlich Beschlussfähigkeits-Anforderungen (d. h. wie viele stimmberechtigte Personen mindestens anwesend sein müssen, um zu einer Entscheidung zu gelangen)
  • Details des Prozesses einer ethischen Prüfung
  • Als Grundregel gilt, dass kein Teilnehmer in eine Studie aufgenommen werden darf, solange die schriftliche befürwortende Stellungnahme der Ethik-Kommission nicht vorliegt.
  • Die Verpflichtung des Prüfers, der Ethik-Kommission unverzüglich sämtliche relevanten Protokolländerungen und sicherheitsrelevanten Probleme einschließlich schwerwiegender und unerwarteter unerwünschter Ereignisse zu melden.

Ethische Abwägung und Entscheidungsfindung

Ethische Abwägung

Die ethische Abwägung umfasst die gewissenhafte Erörterung und Diskussion der geplanten Forschungstätigkeit, bei der die in den einschlägigen nationalen und internationalen Leitlinien festgehaltenen Prinzipien und Werte der Forschungsethik zu berücksichtigen sind. Vor Aufnahme der Diskussion sind sämtliche für die Prüfung relevanten Unterlagen durch die Ethik-Kommission zu prüfen. Die Diskussion sollte unter Beteiligung aller Mitglieder durchgeführt werden und diesen die Möglichkeit geben, ihre Expertise und Sichtweise zu vermitteln.

Entscheidungsfindung

Im Idealfall gelangt die Ethik-Kommission zu einer Meinung, die von allen Mitgliedern als ethisch zufriedenstellend angesehen wird (Konsensentscheid). Diese Entscheidung ist gültig, sofern sie das Ergebnis von ehrlichen, gerechten und tatsächlich gut informierten, den SOPs folgenden Abwägungen darstellt.

Die Entscheidungsfindung durch Abstimmung – im Gegensatz zum Konsensentscheid – sollte Ausnahmefällen vorbehalten bleiben, da bei einer Abstimmung die Anzahl der Personen, die einer bestimmten Meinung sind, den Ausschlag gibt, ohne dass jedoch der dieser Meinung jeweils zu Grunde liegende Gedankengang Berücksichtigung findet.

Gegenstimmen und Enthaltungen

Gelangt die Ethik-Kommission zu einer Entscheidung, die nicht von allen Mitgliedern getragen wird, muss die Anzahl der Personen dokumentiert werden, die sich der Abstimmung enthalten haben bzw. die gegen die Mehrheitsentscheidung gestimmt haben.

Ordnungsgemäßes Verfahren

Das Prinzip des ordnungsgemäßen Verfahrens besagt, dass die Ethik-Kommission unparteiisch handelt und Entscheidungen ausschließlich auf angekündigten Besprechungen mit einer beschlussfähigen Anzahl von Teilnehmern trifft. Nur Mitglieder, die sich an den Abwägungen beteiligen, können an der Entscheidungsfindung teilhaben; Forschern und Sponsoren muss eine faire Gelegenheit zur Anhörung geboten werden (jedoch werden diese nicht an den Abwägungen und der Entscheidungsfindung beteiligt).

Entscheidungen (befürwortende wie ablehnende) müssen dem Antragsteller und den zuständigen Behörden in Schriftform zugehen. Die Ethik-Kommission muss die für ihre Entscheidungen relevanten Aufzeichnungen sowie ihre SOPs archivieren und bereit sein, diese verfügbar zu machen.

Verlaufskontrolle der laufenden Forschung

Ethik-Kommissionen unterziehen genehmigte Forschungstätigkeiten in regelmäßigen, von der Ethik-Kommission selbst auf Grundlage der Risiken, die das Projekt für die Teilnehmer mit sich bringt, festgelegten Abständen einer erneuten Beurteilung. Beispielsweise können die folgenden Vorgänge eine erneute Beurteilung durch die Ethik-Kommission im Rahmen des kontinuierlichen Beurteilungsprozesses erfordern:

  • Jegliche substanziellen Protokolländerungen, die vermutlich signifikante Auswirkungen auf die Sicherheit oder die körperliche und mentale Unversehrtheit der Teilnehmer oder den wissenschaftlichen Wert der Studie haben. Oftmals ist in solchen Fällen auch eine Aktualisierung der Risiken/Nutzen-Bewertung erforderlich.
  • Unerwartete Nebenwirkungen und schwerwiegende Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Durchführung der Studie oder dem Studienpräparat

Das Ziel der fortgesetzten ethischen Prüfung

Der Zweck der fortgesetzten Prüfung ist es, sicherzustellen, dass die Forschungsarbeiten in Übereinstimmung mit dem freigegebenen Protokoll durchgeführt werden. Hat sich das Risiken/Nutzen-Verhältnis geändert, müssen die Teilnehmer über diese Veränderung informiert und aufgefordert werden, ihre Teilnahme an der Studie zu überdenken. Zudem haben sie das Recht, die Teilnahme an der Studie zu beenden.

Entscheidungen der Ethik-Kommission im Verlauf der fortgesetzten Prüfung

Wird im Verlauf der kontinuierlichen Überwachung der Studie ein nicht akzeptabler Aspekt festgestellt, kann eine befürwortende Stellungnahme aufgehoben oder zurückgezogen werden, bis weitere Informationen bereitgestellt und geprüft wurden. Möglicherweise müssen die Studienteilnehmer über die neuen Informationen in Kenntnis gesetzt werden, um diesen eine fundierte Entscheidung hinsichtlich der weiteren Teilnahme an der Studie zu ermöglichen. Die Ethik-Kommission kann Änderungen des Protokolls oder der Einverständniserklärung nach Aufklärung verlangen, was eine erneute Freigabe erforderlich macht und letztendlich dazu führt, dass die Studienteilnehmer ihre Teilnahme erneut überdenken oder beenden.

Verantwortlichkeit

Ethik-Kommissionen müssen gegenüber Forschern und der breiten Öffentlichkeit Verantwortlichkeit demonstrieren und sind der sie einsetzenden Autorität – Regierung, institutionelle Autorität oder private Organisation – gegenüber direkt rechenschaftspflichtig. Ethik-Kommissionen müssen die Transparenz ihrer Aktivitäten und Entscheidungen – einschließlich der offiziellen Ankündigung von Besprechungen – fördern.

Welche Arten von Forschungstätigkeiten bedürfen einer ethischen Evaluierung?

Sämtliche Forschungstätigkeiten am Menschen müssen von einer Ethik-Kommission evaluiert werden, noch bevor die ersten prospektiven Studienteilnehmer rekrutiert werden. Dies betrifft auch Forschungstätigkeiten mit personengebundenen Daten (zum Beispiel Krankenakten) oder mit menschlichem Gewebe und Gen-Material. Forschungstätigkeiten an menschlichen Gameten (d. h. Spermien oder Eiern), Embryonen und fötalem Gewebe müssen – zusätzlich zu anderen Anforderungen (siehe nachstehenden Abschnitt zu speziellen Fällen) – einer ethischen Prüfung unterzogen werden.

Bestimmte Forschungstätigkeiten können möglicherweise von der ethischen Beurteilung ausgenommen werden, beispielsweise dann, wenn kein vorhersehbares Schädigungs- oder Beschwerden-Risiko besteht und die Teilnahme für die Studienteilnehmer höchstens mit Unannehmlichkeiten verbunden ist (vernachlässigbares Risiko). Dies gilt auch für Forschungstätigkeiten, die bestehende Datensammlungen oder Datensätze, die ausschließlich nicht identifizierbare Daten zu Personen enthalten (z. B. öffentlich verfügbare Daten, Archive oder Veröffentlichungen), verwenden.

Spezielle Fälle

Klinische Studien stellen eine Forschungstätigkeit dar, die zusätzliche Anforderungen stellt. So müssen beispielsweise Sponsoren einer klinischen Studie in Europa eine Zulassung der nationalen Aufsichtsbehörde und eine befürwortende Stellungnahme der Ethik-Kommission einholen, bevor eine Studie beginnen kann.

Forschung an menschlichem Fortpflanzungsmaterial (z. B. Stammzellen, Gameten, Embryonen) bedarf zusätzlich zur Prüfung durch die Ethik-Kommission einer Begutachtung durch die nationalen Aufsichtsbehörden.

Ethische Aspekte

Nicht wissenschaftlich fundierte Forschung ist ethisch nicht akzeptabel, weil sie die Studienteilnehmer den Belastungen und den möglichen Gefahren der Forschung aussetzt, ohne die Möglichkeit zu bieten, Nutzen für die Teilnehmer und/oder die Gesellschaft zu erbringen. Die Ethik-Kommission muss daher sicherstellen, dass eine angemessene wissenschaftliche Evaluierung durchgeführt wurde. Scheitert ein Forschungsvorhaben an der wissenschaftlichen Evaluierung, sollte ihm die ethische Zustimmung ebenfalls versagt bleiben.

Evaluierungsstufen

Ethik-Kommissionen können bei der ethischen Evaluierung einen Verhältnismäßigkeitsansatz verfolgen: Je größer die Belastung durch die Forschung, desto umfassender die Prüfung. Eine Evaluierung kann durch das Gesamtgremium der Ethik-Kommission oder durch einen Unterausschuss (beschleunigte Prüfung) durchgeführt werden. Bestimmte Ethik-Kommissionen lassen bei Forschungstätigkeiten, die den Teilnehmern nur eine minimale Belastung auferlegen (d. h. die Gefährdung durch die Beteiligung an der Forschungstätigkeit geringer ausfällt als die Gefahren des Alltags bzw. die Risiken einer medizinischen, zahnmedizinischen oder psychologischen Routineuntersuchung), eine beschleunigte Prüfung zu.

Standardisierte Abläufe (SOPs) für die beschleunigte Prüfung von Forschungsanträgen müssen Folgendes festlegen:

  • den Charakter der Anträge
  • Änderungen und andere Erwägungen
  • die Anforderungen für eine Entscheidung
  • ob eine gefällte Entscheidung vom Gesamtgremium der Kommission bestätigt werden muss oder nicht

Ethische Prüfung internationaler Forschungsvorhaben

Wie jede multizentrische Studie benötigen internationale Forschungsvorhaben möglicherweise verschiedene ethische Begutachtungen in den jeweiligen Ländern.

Unabhängig davon, wo das Forschungsvorhaben durchgeführt wird, verlangt die EU, dass die Prinzipien der Erklärung von Helsinki1 eingehalten werden, sofern das Forschungsvorhaben in einer Marktzulassung innerhalb der EU münden soll.

Für die ethische Begutachtung relevante Dokumente

Aufgrund der Unterschiede zwischen verschiedenen Forschungsvorhaben und der Weiterentwicklung der Praktiken einer ethischen Begutachtung im Laufe der Zeit ist es nur schwer möglich, eine allgemeingültige und vollständige Liste von Dokumenten anzugeben, die von der Ethik-Kommission für die Durchführung einer umfassenden Begutachtung benötigt werden. Aus diesem Grund kann die Ethik-Kommission sämtliche Dokumente anfordern, die sie als relevant erachtet.2

Prospektiven Studienteilnehmern bereitzustellende Informationen

Prospektive Studienteilnehmer müssen vollumfänglich über sämtliche Aspekte der Studie informiert werden. Zu diesen Aspekten zählen beispielsweise die Ziele und die Methoden, Angaben zur Herkunft der Finanzmittel, die Forscher und die Sponsoren sowie der vermutete Nutzen und die potentiellen Risiken. Studienteilnehmer erhalten eine offizielle Einladung zur Teilnahme an der Forschungsstudie und werden darüber informiert, dass sie die Teilnahme ablehnen und eine erteilte Einwilligung/Zusage jederzeit widerrufen können, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Es muss auf sämtliche Maßnahmen hingewiesen werden, mit denen die Privatsphäre und die personenbezogenen Daten der Studienteilnehmer geschützt werden. Es muss eine Kontaktadresse angegeben werden, an die sich die Studienteilnehmer jederzeit mit Fragen und Bedenken wenden können, zusammen mit der Zusicherung, dass die kostenlose medizinische Versorgung (sowie eine Entschädigung im Falle einer Beeinträchtigung oder Behinderung) bei einer durch die Maßnahmen des Forschungsvorhabens bedingten Verletzung sichergestellt ist. Studienteilnehmer werden außerdem über die Art der Vergütung informiert, die sie für die Teilnahme an dem Forschungsvorhaben erhalten werden (sofern zutreffend).

Detailed guidance on the application format and documentation to be submitted in an application for an Ethics Committee opinion on the clinical trial on medicinal products for human use.

Weitergehende Informationen

Quellenangaben

  1. World Medical Association (2013). Declaration of Helsinki – Ethical Principles for Medical Research Involving Human Subjects. Retrieved 12 July, 2021, from:
    https://www.wma.net/policies-post/wma-declaration-of-helsinki-ethical-principles-for-medical-research-involving-human-subjects/
  2. European Parliament and the Council (2009). DIRECTIVE 2001/20/EC on the approximation of the laws, regulations and administrative provisions of the Member States relating to the implementation of good clinical practice in the conduct of clinical trials on medicinal products for human use. Retrieved 12 July, 2021 from:
    https://ec.europa.eu/health/sites/default/files/files/eudralex/vol-1/dir_2001_20/dir_2001_20_en.pdf

A2-4.15-V1.1

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