Therapietreue

Last update: 15 November 2016

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Was ist Therapietreue?

Therapietreue (auch als „Compliance“ bezeichnet) gibt an, wie gut ein Patient die Anweisungen seines Arztes darüber einhält, wann, wie oft und in welcher Dosis er seine Arzneimittel einnehmen soll.

Der Patient und der Arzt müssen sich auf einen Behandlungsplan einigen. Die Therapietreue beschreibt, wie gut der Patient diesen Plan einhält.

Ein Patient gilt als therapietreu, wenn er

  • sein Rezept in die Apotheke bringt und sein(e) Arzneimittel abholt.
  • das/die Arzneimittel gemäß den Anweisungen des Arztes und den Angaben in der Packungsbeilage einnimmt bzw. anwendet. Das bedeutet, dass er das/die Arzneimittel auf die richtige Weise, zur richtigen Zeit und in der richtigen Dosis einnimmt.
  • die Behandlung vollständig zu Ende führt, wenn der Arzt nichts Anderes sagt.

Nicht therapietreu ist ein Patient, wenn er beispielsweise:

  • sein Rezept nicht in die Apotheke bringt oder sein(e) Arzneimittel nicht abholt.
  • das/die Arzneimittel nicht gemäß den Anweisungen des Arztes oder den Angaben in der Packungsbeilage einnimmt.
  • seine Behandlung nicht vollständig zu Ende führt.

Warum ist Therapietreue wichtig?

Fehlende Therapietreue kann den möglichen klinischen Nutzen der Behandlung verringern und zu schlechten gesundheitlichen Ergebnissen für den betreffenden Patienten führen. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf das Preis-Leistungsverhältnis von Arzneimitteln. Fehlende Therapietreue hat Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und kann zu direkten und indirekten Kosten für die Gesellschaft und die Wirtschaft führen.

Direkte wirtschaftliche Kosten mangelnder Therapietreue sind:

  • unnötige Arztbesuche
  • Inanspruchnahme von Krankenhaus, Notaufnahme oder Pflegeheim
  • zusätzliche diagnostische Tests

Indirekte wirtschaftliche Kosten mangelnder Therapietreue sind:

  • Verdienstausfall des Patienten
  • Produktivitätsverlust des Patienten

Mangelnde Therapietreue kann auch negative Auswirkungen auf die Epidemiologie von Erkrankungen haben, die weit über die Nachteile für den einzelnen Patienten hinausgehen und das gesamte Gesundheitssystem erheblich beeinträchtigen können. Mangelnde Einhaltung einer Antibiotikabehandlung kann beispielsweise die Entwicklung resistenter Bakterienstämme zur Folge haben und somit erhöhte Infektionsraten und die Verbreitung einer Krankheit fördern. Der Zusammenhang zwischen mangelnder Therapietreue und Resistenzentwicklung wurde für chronische Infektionen wie beispielsweise Tuberkulose einwandfrei bewiesen (http://www.jhasim.com/files/articlefiles/pdf/ASM_6_7C_652-658_R1.pdf).

Welche Gründe gibt es für mangelnde Therapietreue?

Es gibt zwei Arten von Gründen für mangelnde Therapietreue:

  • Unabsichtlich – die Gründe sind vom Patienten nicht beeinflussbar
  • Absichtlich – der Patient trifft die aktive Entscheidung, sein Arzneimittel nicht zu nehmen oder abzusetzen

Unabsichtliche Therapie-Untreue

Gründe für unabsichtliche Therapie-Untreue sind:

  • Der Patient vergisst die planmäßige Einnahme des Arzneimittels.
  • Der Patient kann sich das Arzneimittel nicht leisten.
  • Das Arzneimittel ist nicht lieferbar.

Absichtliche Therapie-Untreue

Gründe für absichtliche Therapie-Untreue sind:

  • Der Patient hat zu wenig Wissen über seine Erkrankung und/oder Behandlung.
  • Einstellung des Patienten.
  • Der Patient denkt, dass er die Behandlung nicht braucht (weil er sich beispielsweise wieder besser fühlt).
  • Der Patient befürchtet Nebenwirkungen.

Die wichtigsten Faktoren mangelnder Therapietreue

Zu den wichtigsten Faktoren gehören:

  • Nebenwirkungen des Arzneimittels
  • mangelnde Einsicht in die Notwendigkeit des Arzneimittels
  • Bedenken aufgrund fehlender Informationen oder Falschinformationen über das Arzneimittel
  • empfundene Nichtwirksamkeit des Arzneimittels
  • Kosten des Arzneimittels

Andere Faktoren, die die Therapietreue beeinflussen können:

  • Handlungskompetenz
  • Vertrauen zum Arzt und Kommunikation mit dem Arzt
  • Bedürfnis, die Situation unter Kontrolle zu haben
  • Beteiligung des Patienten an der Behandlungsentscheidung
  • Einstellung zur persönlichen Krankheitsanfälligkeit
  • Einsicht in den Schweregrad der Erkrankung
  • Depression
  • Soziale Unterstützung
  • Soziale Situation, z. B. Obdachlosigkeit

Entkräftung von Mythen über Therapietreue

Mythos 1: Fehlende Therapietreue ist ein Merkmal der Krankheit

Mangelnde Therapietreue ist sowohl bei chronischen (langfristigen) als auch bei kurzzeitigen Erkrankungen ein Problem. Fehlende Therapietreue ist kein Merkmal der Krankheit.

Mythos 2: Vergesslichkeit ist die Hauptursache mangelnder Therapietreue

Vergesslichkeit verursacht gelegentliche und unregelmäßige Abweichungen von der Therapietreue. Langfristige Therapietreue ist das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses des Patienten und der Bewertung seiner Einstellungen sowie seiner Erfahrungen mit der Behandlung (1).

Mythos 3: Mediziner geben den Patienten genügend Informationen über Arzneimittel und gewährleisten damit die Therapietreue

Studien haben ergeben, dass Mediziner Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht immer konsequent kommunizieren (2). Patienten wollen Informationen über die Arzneimittel, die ihnen verschrieben werden, und finden es frustrierend, wenn sie nicht genügend Informationen erhalten (3).

Mythos 4: Therapietreue wird zwischen Medizinern und Patienten regelmäßig thematisiert

Mediziner gehen davon aus, dass ihre Patienten therapietreu sind. In der Realität sagen es Patienten jedoch nicht immer ihrem Arzt, wie sie zur Therapietreue stehen (4).

Schlussfolgerungen

Gute Therapietreue ist sowohl vom Arzt als auch vom Patienten abhängig. Beide müssen zusammenarbeiten, damit der Patient

  • weiß, wie das Arzneimittel einzunehmen ist,
  • von seinem Arzt umfassend informiert wird,
  • das Arzneimittel einnehmen will,
  • das Arzneimittel einnehmen kann,
  • an der Entscheidungsfindung beteiligt ist und
  • sich in der Lage fühlt, das ihm verschriebene Arzneimittel zu verstehen.

Weitergehende Informationen

  • http://www.eu-patient.eu/globalassets/policy/adherence-compliance-concordance/adherence—joint-briefing-paper.pdf
  • http://www.jhasim.com/files/articlefiles/pdf/ASM_6_7C_652-658_R1.pdf

Quellenangaben

  1. McHorney CA. The Adherence Estimator: A brief proximal screener for propensity to adhere to medications for chronic disease. CMRO, 25(1), 2009, 215-38.
  2. g. Gardner ME, Rulien N, McGhan WF, Mead RA. A trial of patients’ perceived importance of medication information provided by physicians in a health maintenance organisation. Drug Intell Clin Pharm. 1988;22:596–598; Makoul G, Arntson P, Schofield T. Health promotion in primary care: physician-patient communication and decision making about prescription medications. Soc Sci Med. 1995;41:1241–1254; Tarn DM, Heritage J, Paterniti DA, Hays RD, Kravitz RL, Wenger NS. Physician communication when prescribing new medications. Arch Intern Med. 2006;166:1855–1862.
  3. Bailey BJ, Carney SL, Gillies AH, McColm LM, Smith AJ, Taylor M. Hypertension treatment compliance: what do patients want to know about their medications? Prog Cardiovasc Nurs. 1997;12:23–28; Ziegler DK, Mosier MC, Buenaver M, Okuyemi K. How much information about adverse effects of medication do patients want from physicians? Arch Intern Med. 2001;161:706–713.
  4. Lapane KL, Dube CE, Schneider KL, Quilliam BJ. Misperceptions of patients vs providers regarding medication-related communication issues. Am J Manag Care. 2007;13:613–618.

 

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