Interview mit Gilliosa Spurrier

Last update: 19 Juli 2023

Transkript

Ich heiße Gilli Spurrier-Bernard. Ich bin eine Patientenvertreterin, weil mein Mann an Stufe 4 Melanoma leidet. Als Patientenvertreterin startete ich die Melanoma Frankreich [Melanome France] Gruppe, weil es keine nationale Gruppe gab. Ich leite die Gruppe. Ich leite das Forum. Ich setzt mich mit Interessengruppen in Verbindung, und mache mich unbeliebt, wenn es notwendig ist.

Ich wollte ursprünglich, dass Patienten die Exzellenz-Zentren besuchen. Für Melanoma, eine recht seltene Krankheit, gibt es nicht gar so viele Exzellenz-Zentren, obwohl einige Zentren angeben sich darauf zu spezialisieren. Ich baute eine Webseite auf, die nur die Zentren zeigt, an denen die meisten klinischen Studien durchgeführt werden, denn ich konnte nicht wirklich feststellen, ob ein Zentrum besser war als das andere. Ich dachte, ich würde nur zeigen, wo klinischen Studien durchgeführt und wo die meisten durchgeführt werden. Auf diese Weise können die Patienten sehen, wo es Erfahrung gibt. Das war mein erster Kontakt mit Interessensvertretung. Ich war so verärgert, dass Menschen starben und dachten, dass sie im ganzen Land gleichwertige Behandlung erhalten. Wir leben in Frankreich, und jeder wird gleich behandelt. Das war nicht der Fall. Und so begann ich meine Arbeit.

Ich versuche Patienten zu befähigen, mit ihren Ärzten in einer Art zu sprechen, die ihnen hilft, denn oft sind sie nach einem Arztbesuch über die Diagnose schockiert. Sie stellen keine Fragen. Sie wissen nicht, dass sie Fragen stellen sollen. Sie verlassen die Klinik und kommen zu uns ins Forum und sagen „Ich habe überhaupt nichts verstanden, was der Arzt gesagt hat.” Dann verbringen wir Stunden damit ihnen zu erklären, wie sie die Pathologieberichte lesen, die Anweisungen des Arztes verstehen, und was sie als Betreuungsstandard betrachten sollen. Es ist eine riesengroße Aufgabe, wenn ich denke, dass 400 oder 500 Patienten dasselbe Problem haben, und ich ihnen sage, dass das, was ihnen der Arzt gesagt hat, nicht richtig ist, oder dass sie nicht richtig informiert wurden. Für mich war das eine große Entdeckung, weil ich Facebook hasste.

Ich dachte nie, dass Foren viel Wert hatten, aber dieses Forum hat die Art wie Patienten Informationen sammeln, geändert. Wir sammeln Qualitive Daten, denn es ist ein privates Forum. Patienten sagen ihre Meinung. Sie werden nicht gering geschätzt, wenn sie ihrem Arzt sagen, was sie denken und sagen wollen. Sie können sagen was sie eigentlich sagen sollten. Wir erhalten wirklich hoch qualitative Daten. Und wir lernen. Es ist ein Lernprozess. Wir sind so etwas wie ein Startup-Betrieb. Es gibt ein Endziel, die beste Behandlung und die beste Erfahrung für die Patienten. Und wir arbeiten daran dieses Ziel zu erreichen. Wir machen das manchmal gut und manchmal schlecht. Aber wir lernen. Wir sind froh darüber es so tun zu können.

Ursprünglich war das Forum ein offenes Forum. Es gab sehr wenig Informationsaustausch. Die Patienten dankten uns für die Informationen, aber es gab keine Diskussion. Als wir das Forum nicht mehr der Öffentlichkeit zugänglich machten hatten wir plötzlich Beteiligung. Die Patienten sagten z. B., dass sie anderer Meinung waren. Sie berichteten über ihre Erfahrungen viel offener. Ich glaube sie fühlten sich befähigt. Ein Patient sagte zu mir „Ich war heute beim Arzt und hatte 5 Fragen für ihn.” Das sagt mir alles. Das ist der Höhepunkt.

IN WELCHER ROLLE HABEN SIE AN DER KLINISCHEN FORSCHUNG UND DEM STUDIENDESIGN TEILGENOMMEN?

Es beginnt als Feedback von der Pharmaindustrie; sie kommt mit der sehr amerikanischen Idee zu uns und bittet uns Patienten für ihre Studien zu rekrutieren. Ich betrachtete das als eine seltsame Strategie, und ich fragte mich damals, warum, wenn man ein Problem mit der Rekrutierung von Patienten für Studien hat, dann ist das Problem, dass die Studien nicht gut geplant sind, ansonsten gäbe es kein Problem. Die Industrie versuchte uns als Patientenrekrutierungsstelle zu benützen. Ich begann die Studien zu begutachten und machte klar, dass ich als Patient daran nicht teilnehmen würde, und Probleme für die Patienten aufzeigte.

Ich versuche und ermutige Patienten Nebenwirkungen zu melden, diese zu berichten. Es wäre sogar noch besser, wenn die Mediziner diese Meldungen ernst nehmen würden. Manchmal ist es für sie zuviel Arbeit die Formulare auszufüllen. Klinische Studien sind bei Melanoma unvermeidbar, sie waren unsere einzige Art der Behandlung. Jetzt bekommen wir Behandlung, die von den Behörden genehmigt ist. Das Paradigma hat sich ein bisschen geändert. Wir haben immer noch sehr unzureichend geplante klinische Studien. Ich habe sogar einen Klub in einer Fachzeitschrift gegründet, den wir im europäischen Netzwerk verwenden; wir analysieren klinische Studien, die geplant sind, z. B. eine Phase 3 klinische Studie, und beurteilen, warum sie gut oder schlecht ist, und wo Aspekte übersehen wurden. Es ist wichtig, dass Patienten über diese Punkte diskutieren.

Ich setze große Hoffnung in die Forschung, die von Patienten geleitet wird. Ich glaube viele denken anfangs, dass wir nicht wissen worüber wir reden, weil wir nicht die Ausbildung haben. Wir wissen nichts über Statistiken, Genehmigung, Validation und viele andere Dinge. Ich hatte keine Ahnung über diese Dinge. Man erkennt aber, dass man sehr gute qualitative Daten aus primären Datenquellen erhält, wenn man mit Patienten arbeitet. Ich bin Wissenschaftlerin, ich war Geologin; in der Wissenschaft muss man immer die Primärquellen suchen, und das sind in diesem Fall die Patienten. Wenn wir diese Daten sammeln und nur für unsere eigenen Forschungzwecke verwenden, glaube ich, dass wir viele Interessensgruppen ausschalten können. Die Interessengruppen behaupten, dass sich unsere Daten nur auf Patienten konzentrieren. Wir wissen aber, dass ihre Informationen falsch sind, weil wir qualitativ hohe Daten haben, die belegen das Sie falsch liegen.

Ich habe bei vielen anderen Krankheiten gesehen, wo es viel besser gemacht wurde. HIV ist das perfekte Beispiel. Im CML Bereich, wo im Wesentlichen bewiesen wurde, dass die Anordnungen der Ärzte nicht beachtet wurden, war das kritisch für Patienten, die sich diesen Behandlungen unterziehen. Ich möchte hoffen, dass wir in der Forschung noch v besser machen. Ich glaube, dass das die Zukunft ist. Man wird uns anerkennen und als gleichwertige Interessengruppe betrachten müssen. Wir haben die Daten, und wir lernen, wie wir sie zu unserem und nicht zum Nutzen anderer verwenden können.

WIE BEGANN IHRE ARBEIT BEI EUPATI?

Ich hörte über EUPATI ungefähr Mitte des ersten Jahres als ich hier zu arbeiteten begann. Ich sagte mir, dass ich diesen Kurs gern absolviert hätte, als ich mich durch Probleme ohne jegliches Wissen durchkämpfen musste; ich beschäftigte mich damals mit Dingen, für die ich keine Wissensgrundlage hatte. Ich nahm mir vor den nächsten Kurs besuchen. Es wäre für mich, die Organisation und einige Wechselbeziehungen viel besser gewesen, wenn ich den Kurs im Vorjahr absolviert hätte. Damals entwickelte sich die Krankheit meines Mannes, und wir brauchten Zugang zu Medikamenten. So war es einfach.

Im Kurs entdeckte ich, dass alle Interessengruppen, Perspektiven und Interessen behandelt werden. Der ganze Entwicklungsprozess ist wirklich wichtig. Man kann darüber diskutieren. Man kann vor den eigenen Ärzten diskutieren. Wenn es sich um wirklich nicht gute klinische Studien handelt aber versucht wird Patienten zur Teilnahme zu überreden, kann man feststellen, dass die frühen Daten nicht aussichtsreich ausschauen, weil das Studiendesign mangelhaft ist. Das sind nur einige Dinge, die ich vor einem Jahr nie hätte sagen können, weil ich eben nicht das Wissen hatte.

Das treibt mich an mich viel aktiver an länder-spezifischen Bereichen zu beteiligen, die nicht so viel Aufmerksamkeit erhalten. Jetzt möchte ich das Toolkit nehmen und Teile verwenden, die ich auf Frankreich abstimmen und für französische Patienten relevant machen möchte.

Der Kurs hat mir wirklich sehr geholfen. Ich hoffe, dass ich das Programm weiterführen kann, denn ein befähigter Patient, ein Patientenexperte, und ist im Prozess genauso wichtig wie andere Interessengruppen.

Wir können uns nicht zurücklehnen und uns beklagen, dass wir Patienten sind, dass wir keine Zeit haben, und dass es unfair ist, dass wir an einer Krankheit leiden. Niemand macht es für us, wir müssen es für uns tun. Wir müssen es für uns tun.

Wir können uns nicht beklagen, dass wir nicht die Ausbildung und den Background und nicht die Zeit und die Ressourcen haben, wir müssen uns eben selbst ausbilden. EUPATI ist die perfekte Institution dafür.

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