Interview mit Tamás Bereczky

Last update: 25 Juli 2023

Transkript

Ich heiße Tamás Bereczky und komme aus Budapest, Ungarn. Ich arbeite mit EUPATI als Patientenvertreter oder Vertreter einer Patientenorganisation, der europäischen AIDS Behandlungsgruppe [European AIDS Treatment Group].

Patientenbeteiligung bedeutet nicht nur über die Wissenschaft klinischer Studien zu lernen sondern auch die richtigen Tools zu erwerben, dieses Wissen richtig einzusetzen, das ist Politik, politische Beteiligung.

Ich arbeite seit vielen Jahren als Patientenvertreter und Peer Trainer für HIV.

Es war ein langer und harter Kampf, der uns zu diesem Punkt gebracht hat, wo Menschen mit HIV große und starke Organisationen, sehr einflussreiche Repräsentation in den meisten Teilen der Welt, in der Wissenschaft, Politik, unter Entscheidungsträgern und in Entscheidungsgremien, haben. Das ist bei anderen Krankheiten nicht der Fall. Ich glaube, dass das eine echte Verantwortung ist. Wir müssen diese Verantwortung und Aufgabe ernst nehmen.

Das Fazit ist, dass ich der Meinung bin, dass Menschen, die über ihre Krankheiten informiert sind und sich ihres Gesundheitszustands bewusst sind, bessere Bürger sind und Demokratien stärken. Das ist das Endziel, das philosophische Ziel.

Als ich diese Menschen vor 2 oder 3 Jahren hier traf und mit ihnen sprach, war es eine scheue, befangene Gruppe von Patienten, die wirklich nicht wusste, wo sie beginnen sollte. Sie waren von der Menge des von EUPATI zur Verfügung gestellten Wissens überwältigt. Es ist eine Menge Informationen, die sie sich einverleiben und lernen müssen. Als ich jetzt zurückkam, war ich erstaunt, wie sich das Netzwerk entwickelt hat. Es ist eine Bewegung, die heranwächst. Es ist eine europäische Patientenbewegung, eine bodenständige Bewegung, die mir sehr gefällt.

Es tut gut zu sehen, dass diese Menschen sich befähigt fühlen und wissen, dass sie Rechte haben. Sie wissen, dass sie ihre Rechte mit Wissen begründen können und daher echten Einfluss haben.

WAS SIND EINIGE DER HERAUSFORDERUNGEN, DENEN PATIENTENEXPERTEN MÖGLICHERWEISE AUSGESETZT SIND?

Es gibt viele Meinungsverschiedenheiten und Debatten über wie und ob überhaupt man mit anderen Interessengruppen zusammenarbeiten kann; in welchem Ausmaß man Unterstützung von den verschiedenen Interessengruppen akzeptieren kann, einschließlich der pharmazeutischen Industrie und anderen Geldgebern. Es ist ein sehr politischer Prozess. Ich glaube, dass, gerade weil so viel passiert ist, und der Druck in der HIV Community so stark ist, besonders als Menschen buchstäblich jeden Tag starben, wir arbeitsfähige Modellen entwickelt haben, die vielleicht nicht perfekt aber akzeptabel sind.

Wie z. B. Community Beratungsgremien, die es in der HIV Community gibt, die diesen Kompromiss herstellen: sie sind für den Patienten da, sie repräsentieren die Perspektive des Patienten, aber sie arbeiten auch mit den anderen Interessengruppen und konzentrieren sich auf die echten Bedürfnisse des Patienten. Wir konzentrieren uns auf das, was die Patienten brauchen, und nehmen nicht an politischen und ideologischen Debatten teil, wie z. B. ob man ein Aktivist sein kann, wenn man Geld vom Staat oder der Industrie akzeptiert. Wenn HIV Patienten keine Behandlung bekommen sterben sie. So einfach ist es.

Ein anderer wichtiger Punkt, der mir sehr am Herzen liegt und über den ich oft schreibe, ist die Rolle von Emotionen. Man ist nicht weniger informiert, weil man Gefühle hat. Man hat sicher Gefühle, wenn man im Alter von 22 oder 35 Jahren zum Tod verurteilt wird, wie es bei HIV der Fall war. Natürlich ist man verärgert, frustriert und unglücklich, wenn man das eigene Kind sterben sieht und keine Medikamente bekommen kann; entweder aus finanziellen Gründen oder weil es keine Medikamente gibt, weil es keine Forschung über diese Krankheit gibt, an der Ihr Kind leidet. Das macht ärgerlich, aber der Zorn, die Gefühle, die Frustration, die Leidenschaft beeinträchtigen nicht das Wissen.

Ich glaube, dass man Leidenschaft braucht, um Wissen zu erwerben. Wir sollten uns nicht über unsere Leidenschaft schämen, denn sie ist das Herzstück des Aktivismus. Ich glaube, dass das eine Lehre ist, die wir auch auf andere Krankheitsgebiete anwenden können. Sie haben das Recht auf den Tisch zu schlagen, wenn Sie verärgert sind. Aber Sie sollten über Ihr Thema Bescheid wissen. Sie sollten lernen, was gelernt werden kann, um ein leidenschaftliches Argument zu machen; Leidenschaft und Wissen schließen einander nicht aus, wie es die derzeitige Tradition in der Wissenschaft ist: man ist entweder leidenschaftlich, oder besonnen und ein Wissenschaftler, aber man kann nicht beides zur gleichen Zeit sein. Ich glaube das ist der Schlussstrich.

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