Prüfpräparat: Von der Herstellung zum Teilnehmer

Einleitung

In der klinischen Entwicklung eignen sich die vorhandenen Fertigungs- und Vertriebsstätten für zugelassene Arzneimittel möglicherweise nicht für ein Prüfpräparat (IMP, investigational medicinal product). Dadurch darf die Qualität des IMP jedoch nicht beeinträchtigt werden. Alle Arzneimittel, ob zugelassen oder in der Erprobung befindlich, müssen in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Guten Herstellungspraxis (GMP, good manufacturing practice) hergestellt, gelagert und verteilt werden. Für IMPs müssen darüber hinaus noch spezielle, weitere Aspekte berücksichtigt werden. Diese sind wichtig, um die Sicherheit bei der Verabreichung des IMP an die Teilnehmer der klinischen Studie zu gewährleisten.

Herstellung

Wie viel Prüfpräparat wird für eine klinische Studie benötigt?

Wie viel von dem so genannten Prüfpräparat (IMP, investigational medicinal product) in einer klinischen Studie benötigt wird, hängt von der Stufe der klinischen Entwicklung ab:

  • In den frühen klinischen Studien (Phase I) werden geringe Mengen (z. B. 5 bis 50 g) in einem Labor hergestellt.
  • Für Studien der Phasen II und III werden die benötigten größeren Mengen des IMP (100 g bis 1 kg) in einer Fertigungsanlage hergestellt.

Wenn eine klinische Studie genehmigt ist, müssen die benötigten IMP-Mengen berechnet und ein Plan für die Herstellung und Anlieferung erstellt werden. Dabei kann es sich um vollständig neue Arzneimittel handeln oder um bereits zugelassene Arzneimittel, die auf andere Weise genutzt oder bei einer neuen Erkrankung getestet werden sollen.

Überlegungen zur Herstellung von Arzneimitteln für klinische Studien

Art des Arzneimittels

Unterschiedliche Arzneimittel werden unterschiedlich herstellt, und manche Herstellungsverfahren können komplizierter als andere sein. Zum Beispiel:

  • Biologika wie Insulin sind Produkte lebender Zellen oder Organismen und werden „gezüchtet“.
  • Konventionelle Arzneimittel sind künstlich hergestellt, das heißt „synthetisiert“.

Unterschiedliche Arzneimittel haben auch unterschiedliche Stabilität und Haltbarkeit. Hersteller müssen daher auch vorausplanen, wie viel von einem IMP auf einmal hergestellt werden kann und wie lange es wirksam ist. IMPs mit geringer Stabilität müssen beispielsweise in kleineren Mengen, dafür aber häufiger hergestellt werden. Auch die Form des Arzneimittels muss berücksichtigt werden. Es könnte sich beispielsweise um eine Flüssigkeit, Tablette, Kapsel oder Injektionslösung handeln.

Dosierung und Anlieferung

Es muss gewährleistet sein, dass unter Berücksichtigung möglicher Änderungen der Teilnehmerzahl oder der Stabilität des Arzneimittels eine ausreichende Menge des IMP für eine bestimmte klinische Studie vorrätig ist. Fehler sind nicht nur teuer, sondern können den Erfolg der gesamten Studie und die Sicherheit der Teilnehmer gefährden.

  • Bei einer Überschätzung des Bedarfs wird zu viel Arzneimittel produziert, das bedeutet vermehrten Abfall und hohe Produktionskosten.
  • Bei einer Unterschätzung des Bedarfs ist nicht genügend Arzneimittel für eine vollständige Behandlung und den erfolgreichen Abschluss der Studie vorhanden.

Verpackung

In der EU ist die Verpackung von Prüfpräparaten für klinische Studien geregelt (das Gesetz legt fest, was auf die Verpackung gedruckt werden muss). In vielen klinischen Studien muss die Verpackung auch für „verblindete“ Arzneimittel geeignet sein. Eine Verblindung ist so ausgelegt, dass die Teilnehmer und Mediziner keine Kenntnis davon haben, ob ein bestimmter Teilnehmer das IMP oder aber das Vergleichsprodukt erhält. Im Herstellungsprozess muss gewährleistet sein, dass das IMP und das Vergleichsprodukt dasselbe Aussehen (z. B. dieselbe Farbe) und denselben Geschmack haben.

Die Gestaltung der Verpackung muss sorgfältig geplant werden im Hinblick auf körperliche Schwierigkeiten, die die Studienteilnehmer möglicherweise haben. So können „kindersichere“ Verschlüsse von Flaschen beispielsweise problematisch für Patienten mit Arthritis sein.

Standort des Studienzentrums

Eine wichtige Überlegung ist auch, wo (in welcher Region bzw. welchen Regionen) wie viel von dem Arzneimittel benötigt wird. Der Hersteller muss entscheiden, an welchem Ort die Herstellung des IMP am besten stattfinden soll und wie er es an die Studienzentren in einem Land oder mehreren verschiedenen Ländern ausliefern will. Er muss außerdem die verschiedenen Bestimmungen für den Import von IMPs in verschiedene Länder berücksichtigen.

Qualitätskontrolle

Für die Herstellung und Qualitätskontrolle von IMPs gelten spezielle Regelungen, um die Teilnehmer vor den Folgen schlechter Qualität zu schützen. In der EU müssen Hersteller die GMP-Leitlinien für zugelassene Arzneimittel und IMPs einhalten. Dazu gehören:

  • Qualitätsmanagement: Das System, mit dem der Hersteller die Qualitätskontrolle überwacht.
  • Personal: Die an der Qualitätskontrolle beteiligten Mitarbeiter sind ausreichend geschult.
  • Produktionsstätten und Anlagen: Die Gebäude und Anlagen, in denen die IMPs hergestellt werden, sind hygienisch und eignen sich für die Produktion.
  • Dokumentation: Erfassung und Speicherung von Daten über das Arzneimittel und seine Herstellung.
  • Produktion: Verfahren und Bedingungen, unter denen das IMP hergestellt wird (z. B. unter sterilen Bedingungen) und unter denen die Verblindung für die Mediziner und Studienteilnehmer erfolgt.
  • Qualitätskontrolle: Der Vorgang der Prüfung von Proben des IMP auf korrekte Herstellung und Einhaltung der Vorgaben.
  • Rückrufe und Rückgaben: Der Vorgang des Rückrufs eines IMPs im Falle von Problemen und der Rückgabe nicht verbrauchter Arzneimittel an den Hersteller.
  • Vernichtung: Vorgehensweise bei der Vernichtung von IMP-Lagerbeständen.

Distribution

Ein IMP wird oft verteilt durch:

  • den Hersteller,
  • den Sponsor oder
  • ein Auftragsforschungsinstitut (CRO, contract research organisation), also ein Unternehmen, das vom Sponsor mit der Durchführung der klinischen Studie beauftragt wird.

Die Verteilung eines IMP für eine klinische Studie kann dadurch kompliziert werden, dass kleine Mengen an verschiedene Kliniken an verschiedenen Orten geliefert werden müssen. Möglicherweise müssen während des gesamten Verteilungsprozesses besondere Lagerungsbedingungen (beispielsweise tiefe oder konstante Temperaturen) eingehalten werden.

Verabreichung von IMPs

Die in klinischen Studien angewendeten Arzneimittel können den Teilnehmern in verschiedenen Umgebungen verabreicht werden, entweder in besonderen Forschungszentren, auf Stationen größerer Krankenhäuser oder in anderen medizinischen Einrichtungen. IMPs, die als Tablette oder Flüssigkeit vorliegen, werden den Teilnehmern auch oftmals mit nach Hause gegeben, zusammen mit einer Anleitung, wie und wann sie sie einnehmen sollen. Wird das Arzneimittel dem Teilnehmer als Injektion oder Infusion gegeben, dann muss dieser meist das Studienzentrum aufsuchen.

Die Teilnehmer müssen von medizinischen Fachleuten angeleitet werden, wie das Arzneimittel einzunehmen ist und wie man es zu Hause lagern muss und müssen alle zusätzlichen Informationen bekommen, damit sie das Arzneimittel in der geplanten Weise einnehmen können.

Manche Arzneimittel, die in klinischen Studien angewendet werden, haben möglicherweise Nebenwirkungen, die mithilfe einer „Notfalltherapie“ gelindert werden können, die dem Teilnehmer zusammen mit dem IMP bereitgestellt wird. Die Mediziner sind dafür verantwortlich, dass die Teilnehmer genau wissen, wann und wie sie bei Bedarf die Notfalltherapie einnehmen sollen. Oftmals werden die Teilnehmer gebeten, dem Mediziner mitzuteilen, wann und wie oft sie eine Notfalltherapie anwenden mussten. In diesem Fall müssen sie angemessen darüber informiert werden, wie dies zu geschehen hat.

Die Aufklärung der Teilnehmer über das einzunehmende IMP, wann und wie es einzunehmen ist und wie es zu lagern ist, ist entscheidend für die so genannte Therapietreue (Einhaltung der Anordnungen) während der gesamten klinischen Studie.

References

European Commission (2017). EudraLex – Volume 4 – Good Manufacturing Practice (GMP) guidelines Retrieved 12 July, 2021, from https://ec.europa.eu/health/documents/eudralex/vol-4_en

A2-4.25.1-V1.0