Prozess der Gesundheitstechnologiebewertung: Fundamentale Aspekte

Einleitung

Gesundheitstechnologiebewertung (Health Technology Assessment, HTA) ist ein Zweig der Forschung, der Informationen zu den klinischen Aspekten und der Wirtschaftlichkeit von Gesundheitstechnologien generiert.

Im Gesundheitswesen kann der Begriff „Gesundheitstechnologie“ (oder kurz „Technologie“) vielerlei bezeichnen, von Arzneimitteln (einschließlich Biologika), Medizinprodukte, medizinischer Ausstattung und medizinischem Bedarfsmaterial über medizinische und chirurgische Eingriffe bis hin zu Gesundheitsprogrammen (samt der unterstützenden Systeme) und bei der Prävention, dem Screening, der Diagnose, der Behandlung und der Rehabilitation eingesetzten Organisations- und Verwaltungssystemen.

Hierfür einige Beispiele:

  • Arzneimittel
  • Programme zur Verhinderung von Erkrankungen (z. B. Impfprogramme bei Kindern)
  • Eingriffe (z. B. Operationen)
  • Medizinprodukte (Einrichtungen oder Apparate, die medizinischen Maßnahmen dienen oder bei den Aktivitäten des Alltags unterstützen, z. B. eine Insulinpumpe oder ein Adrenalin-Autoinjektor)

Was umfasst die Gesundheitstechnologiebewertung?

Gesundheitstechnologiebewertung (Health Technology Assessment, HTA) ist die systematische Evaluierung von Eigenschaften, Wirkungen und/oder Auswirkungen von Gesundheitstechnologien. Sie kann sich mit den direkten, beabsichtigten Auswirkungen der Technologie befassen, aber ebenso auch mit ihren indirekten, unbeabsichtigten Auswirkungen.

Der Hauptzweck der HTA ist die Informierung der technikbezogenen Politikgestaltung im Gesundheitswesen, weshalb sie mitunter auch als die „Brücke zwischen Evidenz und Politikgestaltung“ bezeichnet wird. Die HTA wird von interdisziplinären Gruppen unter Anwendung eines expliziten analytischen Rahmenwerks durchgeführt, die auf eine Vielzahl von Methoden zurückgreifen. Da sich HTA-Gremien von Land zu Land (und mitunter von Region zu Region) unterscheiden, existiert kein gemeinsamer (harmonisierter) Ansatz für die HTA. Dennoch führten die letzten Jahre zur einer zunehmenden Standardisierung der fundamentalen Aspekte guter HTA-Prozesse.

Die organisatorische Einbindung von HTA-Gremien in das jeweilige Gesundheitssystem unterscheidet sich von Land zu Land.

Aufgabenbereich

Ein HTA-Gremium muss einen definierten Aufgabenbereich besitzen, der festlegt, welche Technologien das Gremium beurteilt und welche Technologien nicht seiner Beurteilung unterliegen. Der Aufgabenbereich eines HTA-Gremiums beeinflusst auch viele weitere Aspekte des HTA-Prozesses, einschließlich der Art und Weise, in der das HTA-Gremium mit anderen Organisationen als den Entscheidungsträgern interagiert, welcher Grad an Transparenz realisierbar oder erforderlich ist, und der Beteiligung Externer an seinen Prozessen. Die Positionierung eines HTA-Gremiums innerhalb eines Gesundheitssystems spielt eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung seines Aufgabenbereichs. HTA-Gremien können innerhalb verschiedener Organisationen existieren – sie können beispielsweise eine Abteilung des Gesundheitsministeriums, ein Qualitätsausschuss oder innerhalb einer akademischen Einrichtung tätig sein oder als eigenständige juristische Person existieren. Um effektiv tätig werden zu können, sollten HTA-Gremien in Kontakt mit Entscheidungsträgern stehen.

Prozesse und Methoden

Aufgabenbereich, Auswahl von Methoden und Detailgrad bei der praktischen Durchführung einer HTA unterliegen großen Unterschieden. Grob gesagt kann eine HTA durch drei Phasen charakterisiert werden:

  1. Bewertung: Erfassung und kritische Durchsicht der wissenschaftlichen Evidenz
  2. Bewertung: Durchsicht der Bewertung unter Berücksichtigung aller anderen (politischen) Faktoren durch ein Komitee zwecks Abgabe einer Empfehlung
  3. Entscheidungsfindung: Implementierung der Empfehlung

Jede dieser drei Phasen umfasst vielfältige Strukturen und Funktionen. Nicht alle HTA-Programme umfassen alle dieser Schritte (tatsächlich gehört „Entscheidungsfindung“ eher selten – wenn überhaupt jemals – zum Aufgabenbereich eines HTA-Gremiums).

Abbildung 1 zeigt einen verallgemeinerten (vereinfachten) HTA-Prozess. Sie stellt das Ziel des HTA-Prozesses heraus: Vermittlung von Informationen aus der Gesundheitsforschung (Wissenschaft) an die Entscheidungsträger und letztlich an die Bevölkerung.

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HTA-Gremien müssen entscheiden, welche Informationen zu einer Technologie für Entscheidungsträger von Bedeutung sind und wie sie diese Informationen zusammentragen. Von einem HTA-Gremium hinsichtlich seiner Prozesse und Methoden getroffene Entscheidungen beeinflussen die Beurteilungen und unterliegen selbst wiederum einer Beeinflussung durch die Organisation und den Aufgabenbereich des HTA-Gremiums.

HTA-Gremien müssen festlegen, welche Kenntnisse hinsichtlich der Konsequenzen und Auswirkungen der Anwendung einer Gesundheitstechnologie für Entscheidungsträger von Bedeutung sind und in welchem Ausmaß ihre Beurteilung abgestimmt (auf eine einzelne Technologie) werden sollte. Während beispielsweise das Verständnis der klinischen Wirksamkeit einer Gesundheitstechnologie im Allgemeinen als für die Entscheidungsträger von Bedeutung angesehen wird, bestehen bei bestimmten Gesundheitstechnologien möglicherweise ethische Probleme, die bei anderen nicht vorliegen. Ein HTA-Gremium muss entscheiden, ob es auf alle Gesundheitstechnologien ein und denselben Standardprozess anwendet oder auf Grundlage der benötigten relevanten Informationen die Anwendung spezifischer Prozesse für die Beurteilung jeder einzelnen Technologie zulässt. Sollten in diesem Fall ethische Informationen für alle zu evaluierendem Technologien zusammengetragen werden, oder sollte ein separater Prozess eingerichtet werden, der diese Informationen je nach Bedarf bereitstellt?

In den meisten Fällen umfasst eine HTA die folgenden Grundschritte in der einen oder anderen Form:

  1. Identifizieren der zu bewertenden Aspekte
  2. Spezifizieren der Probleme oder Fragestellungen der Bewertung
  3. Abrufen der verfügbaren relevanten Evidenz
  4. Generieren oder Erfassen neuer Evidenz (je nach Bedarf)
  5. Bewerten/Interpretieren der Qualität der Evidenz
  6. Integrieren/Synthetisieren von Evidenz
  7. Formulieren von Erkenntnissen und Empfehlungen
  8. Kommunizieren von Erkenntnissen und Empfehlungen
  9. Überwachen der Auswirkungen

Nicht alle HTA-Gremien führen alle diese Schritte durch, und sie müssen nicht notwendigerweise in sequenzieller Reihenfolge durchlaufen werden.

Bewertung

Die von einem HTA-Gremium in der Bewertungsphase verwendeten Methoden und Prozesse sind wichtig, um die konsistente Bewertung neuer Gesundheitstechnologien sicherzustellen. Misslingt es dem HTA-Gremium beispielsweise, den für die Durchführung einer Literaturdurchsicht oder das Synthetisieren der ermittelten Informationen verwendeten Ansatz zu standardisieren, besteht die Gefahr einer inkonsistenten Beurteilung neuer Technologien. HTA kann verschiedenste Gruppen von Methoden einsetzen.

Zwei der Haupttypen von HTA-Methoden sind Primärdatenerfassungsmethoden und sekundäre oder integrative Methoden. Primärdatenmethoden umfassen die Sammlung von Originaldaten beispielsweise aus klinischen und Beobachtungsstudien. Integrative Methoden (sekundäre oder Synthesemethoden) umfassen die Kombination von Daten oder Informationen aus bestehenden Quellen einschließlich Primärdatenstudien. Wirtschaftlichkeitsanalysemethoden können Methoden aus beiden Gruppen (Primärdatenmethoden und integrative Methoden) umfassen.

Viele HTA-Gremien verlassen sich für die Formulierung von Erkenntnissen weitestgehend auf integrative Methoden der Durchsicht und Synthese von Daten (unter Verwendung systematischer Übersichtsarbeiten und Metaanalysen) auf Grundlage existierender relevanter Primärdatenstudien (in Zeitschriftenartikeln oder aus epidemiologischen oder administrativen Datensätzen). Ihre Evaluierungen basieren auf der Unterscheidung zwischen stärkerer und schwächerer, den verfügbaren Primärdatenstudien entnommener Evidenz.

Bei manchen Bewertungsprozessen wird der Zyklus aus Abrufen/Sammeln, Interpretieren und Integrieren von Evidenz mehrfach durchlaufen.

Es ist nicht immer möglich, Studien der aussagekräftigsten Art durchzuführen oder eine Bewertung auf derartige Studien zu gründen. Tatsächlich müssen oftmals Richtlinien erstellt werden, ohne dass aussagekräftige Studien vorliegen oder bevor diese abgeschlossen wurden. Angesichts ihrer unterschiedlichen Bewertungsausrichtungen, Ressourcenknappheit und anderer Faktoren neigen HTA-Gremien dazu, sich auf eine Kombination verschiedener Methoden zu verlassen.

So kann das HTA-Gremium für die Beurteilung einer Technologie beispielsweise Evidenz fordern, die verschiedene Aspekte einschließlich der folgenden berücksichtigt:

  • Die Belastung durch die Erkrankung
  • Projektierte epidemiologische Trends einer Erkrankung
  • Die relative Wirksamkeit von Technologien
  • Die Wirtschaftlichkeit von Technologien (Beachten Sie bitte, dass nicht alle Gremien die Wirtschaftlichkeit berücksichtigen. Manche legen größeren Wert auf den zusätzlichen klinischen Nutzen und die Auswirkungen auf das Budget.)
  • Die Einschätzung der Therapieergebnisse durch Patienten

In manchen Fällen kann ein HTA-Gremium diese Fragen direkt oder durch Beauftragung neuer Forschungsarbeiten beantworten. In anderen Fällen kann es den Hersteller des Arzneimittels auffordern, die relevanten Informationen bereitzustellen.

Verbreitung

Die Verbreitung von Erkenntnissen und Empfehlungen sowie die Überwachung der Auswirkungen kann Bestandteil der HTA selbst sein oder nicht, stellt jedoch einen separaten Verantwortungsbereich einer für die Durchführung derartiger Bewertungen benannten Organisation dar.

In den meisten Fällen muss ein HTA-Bericht Personen kommuniziert werden, die mit den Details der klinischen Forschung oder der wirtschaftlichen Evaluierung nicht vertraut sind. Je nach Organisation des Gremiums und seiner Beziehung zu den Entscheidungsträgern muss der HTA-Bericht möglicherweise in verschiedenen Formaten – beispielsweise schriftlich und/oder mündlich – übermittelt und einem Peer-Review unterzogen werden. Die Art der Darstellung der Informationen und der Grad an verwendeter Fachterminologie kann davon abhängen, ob der Bericht für ein Expertengremium oder direkt für einen Entscheidungsträger bestimmt ist.

Entscheidung

Letztendlich ist der HTA-Prozess dafür vorgesehen, gesundheitspolitische Entscheidungen zu unterstützen. In dieser Phase des Prozesses werden die von dem Gremium erfassten und beurteilten Informationen durch Entscheidungsträger (z. B. das nationale Gesundheitssystem, Kostenträger usw.) bewertet. Obwohl von der Annahme auszugehen ist, dass Entscheidungen unabhängig von einem HTA-Gremium getroffen werden, hat die Art und Weise, in der Entscheidungen getroffen werden, Auswirkungen auf den HTA-Prozess. Kann beispielsweise gegen Entscheidungen Einspruch eingelegt werden, kann ein HTA-Gremium aufgefordert werden, weitere Analysen durchzuführen. Werden Entscheidungen durch eine Expertenkommission getroffen, kann es einem HTA-Gremium obliegen, die Kommission zu koordinieren oder ihren Besprechungen beizuwohnen. Berichte müssen möglicherweise unter Verschluss gehalten oder für die Stellungnahme durch die Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden.

Implementierung und Auswirkungen

Gelangen Entscheidungsträger auf Grundlage eines HTA-Berichts (Empfehlung) zu einer Entscheidung, ist die Implementierung dieser Entscheidung im gesellschaftlichen Haben vorgesehen, wodurch sie Auswirkungen auf die Bevölkerung haben wird. Der Bewertungsprozess des HTA-Gremiums sollte berücksichtigen, wie derartige Entscheidungen implementiert werden und welche Auswirkungen ihre Empfehlungen auf die Bevölkerung haben können. Möglicherweise gibt es auch eine Feedback-Schleife, die es dem HTA-Gremium ermöglicht, die Auswirkungen von HTA-Empfehlungen auf die Bevölkerung zu bestimmen, um diese Informationen in den Stadien der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.

Die nachstehende Tabelle 1 zeigt die verschiedenen Schritte des HTA-Prozesses sowie einige relevante Fragen, mit denen sich eine HTA-Organisation im Interesse der Entwicklung eines „guten“ HTA-Prozesses möglicherweise befassen muss. Die Fragenliste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – je nach Standort der Organisation und je nachdem, wer sie unterstützt, sind möglicherweise andere Aspekte zu berücksichtigen.

Tabelle 1: Schritte des HTA-Prozesses
Schritt Zu berücksichtigende relevante Fragen
Organisation
  • Welcher Aufsicht unterliegt das HTA-Gremium?
  • In welcher Beziehung steht es zur Regierung?
  • Unterliegt es rechtlichen oder politischen Einschränkungen?
Aufgabenbereich
  • Welche Technologien bedürfen einer Entscheidung?
  • Welche Bewertungen sind erforderlich?
  • Wie werden Drittparteien (z. B. Patienten) beteiligt?
  • Welchen Grad an Transparenz und Verantwortlichkeit weist das HTA-Gremium auf?
Methoden und Prozesse
  • Welche Aspekte (Domänen) werden bewertet (z. B. ethische Aspekte, wirtschaftliche Aspekte)?
  • Wie werden Analysen durchgeführt?
Verbreitung
  • Wer erhält die Empfehlungen?
  • Innerhalb welchen Zeitrahmens?
  • Welchen Inhalts ist die Kommunikation?
Entscheidung
  • Ist eine Expertenkommission erforderlich?
  • Welche Beziehung besteht zu den Entscheidungsträgern?
  • Welches sind die Prioritäten der Entscheidungsträger?
Implementierung
  • Wie werden Entscheidungen implementiert?
  • Wozu führt eine Empfehlung?
Auswirkungen
  • Wer ist betroffen?
  • Was ist ein relevantes Maß für Auswirkungen?
  • Wie läuft der Entscheidungsfindungsprozess ab?
  • Welcher Art sind die Entscheidungsergebnisse (z. B. Ja/Nein)?

Anlage

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