Nicht-klinische Entwicklung: Arten nicht-klinischer Studien

Einleitung

Der nicht-klinische (oder vorklinische) Entwicklungsabschnitt befasst sich primär mit der Identifizierung derjenigen potenziellen Therapie, die den größten Erfolg verspricht, der Beurteilung ihrer Sicherheit und dem Aufbau umfassender und belastbarer wissenschaftlicher Erkenntnisse vor dem Übergang in den klinischen Entwicklungsabschnitt.

Des Weiteren fallen gewisse nicht medizinische Aktivitäten in den nicht-klinischen Entwicklungsabschnitt, beispielsweise die Festlegung, ob und in welchem Umfang hinsichtlich des Wirkstoffkandidaten Ansprüche auf geistiges Eigentum angemeldet werden, aber auch die Herstellung ausreichender Mengen des Wirkstoffs für klinische Studien. Der nicht-klinische Entwicklungsabschnitt eines Arzneimittels ist komplex und unterliegt zulassungsrechtlichen Vorgaben. Dieser Artikel behandelt die verschiedenen Arten nicht-klinischer Studien samt ihrer Zielsetzung und anderer Spezifika.

Arten nicht-klinischer Studien

Pharmakodynamik

Primär:

Ziel ist es, zu bestimmen, wie die Intervention den Körper zu einer Reaktion veranlasst (Wirksamkeit). Diese Untersuchungen können in vivo und/oder in vitro durchgeführt werden.

Sekundär:

Ziel ist es, zu bestimmen, wie sich die Intervention auf andere Aspekte des Körpers (d. h. nicht den Wirkort) auswirkt. Möglicherweise sind keine Studien zur sekundären Pharmakodynamik erforderlich, beispielsweise wenn die Fachliteratur ausreichende Informationen ergibt.

Sicherheit:

Ziel ist es, unerwünschte Auswirkungen auf wesentliche physiologische Funktionen innerhalb des therapeutischen Dosisbereichs sowie bei höherer Dosierung zu identifizieren. Die entsprechenden Untersuchungen beurteilen üblicherweise die Atmungsfunktion, die Funktion des zentralen Nervensystems und Herz-Kreislauf-Funktionen.

Sollten Bedenken auftreten, können Nachsorgestudien notwendig werden. Die Beurteilung sollte nach Möglichkeit in vitro durchgeführt werden, um soweit wie irgend möglich auf Untersuchungen im Tiermodell zu verzichten.

Pharmakokinetik

Pharmakokinetische Studien befassen sich mit den folgenden Aspekten:

  • Resorption, Distribution, Verstoffwechselung, Ausscheidung (engl.: ADME / Absorption, Distribution, Metabolism, Excretion)
  • Toxikokinetik (wie viel der Intervention sich im Körper befindet und wo/wann die unerwünschten Wirkungen auftreten)

Toxikologie

Toxikologische Studien befassen sich mit der Toxizität (Giftigkeit) des Wirkstoffs:

  • Einzeldosis
  • Wiederholungsdosis
  • Genotoxizität (zu genetischen Mutationen führende Schädigung einer Zelle)
  • Karzinogenität (kann der Wirkstoff Krebs verursachen?)
  • Entwicklungs- und Reproduktionstoxizität

Einzeldosis- und Dosisbereichfindungsstudien

Diese Studien werden zunächst an Kleinnagern (Mäuse oder Ratten) durchgeführt, anschließend folgen Studien an größeren Tierarten (z. B. Hunden).

Intention dieser Studien ist die Bestimmung des Toxizitätsprofils:

  • Maximal verträgliche Dosis und NOAEL (No Observed Adverse Effect Level, d. h. die höchste Dosis oder Expositionskonzentration eines Stoffes in subchronischen oder chronischen Studien, bei der keine signifikant erhöhten schädigenden behandlungsbedingten Befunde in der Morphologie, Funktion, Wachstum, Entwicklung oder Lebensdauer beobachtet werden).
  • Identifizieren des oder der Zielorgane der Toxizität
  • Festlegen von Dosierungen für nachfolgende Toxikologiestudien oder der Dosierung für die erste Anwendung am Menschen

Diese Studien haben die folgenden Ziele:

  • Bestimmung des Toxizitätsprofils bei der wiederholten Verabreichung über einen vorgegebenen Zeitraum
  • Identifizieren des oder der Zielorgane der Toxizität
  • Reversibilität von Nebenwirkungen
  • Festlegen von Dosierungen für nachfolgende Toxikologiestudien oder klinische Studien

Die Standarddauer ist:

  • Subchronisch: 7 Tage, 14 Tage, 28 Tage und 3 Monate
  • Chronisch: 6 Monate, 9 Monate und 12 Monate

Untersuchungen zur Genotoxizität

Zielsetzung ist der Nachweis potenzieller Wechselwirkungen mit der DNA oder Chromosomen, die Gen-Mutationen und/oder chromosomale Schädigungen induzieren.

Karzinogenität

Untersuchungen zur Karzinogenität:

  • Maus-Bio-Assay (2 Jahre) oder Transgene-Maus-Bio-Assay (26 Wochen)
  • und Ratten-Bio-Assay (2 Jahre)

Untersuchungen zur Entwicklungs- und Reproduktionstoxizität

Untersuchungen zur Entwicklungs- und Reproduktionstoxizität befassen sich mit:

  • Fertilität (typischerweise Ratte)
  • Teratologie (die Beziehung zwischen zwei Zubereitungen desselben Arzneimittels in der gleichen Darreichungsform, die eine vergleichbare Bioverfügbarkeit aufweisen; typischerweise Ratte und Kaninchen)
  • Peri- und postnatal (typischerweise Ratte)

Abschätzung der Dosis für die erste Anwendung am Menschen

Die Abschätzung der Dosis für die erste Anwendung am Menschen ist von größter Bedeutung für den Schutz der Teilnehmer an Phase-I-Studien (erste Studie am Menschen).

Dabei müssen alle relevanten nicht-klinischen Daten berücksichtigt werden, wobei NOAEL die wichtigsten Informationen liefert.

Bei explorativen klinischen Studien am Menschen kann die Dosisabschätzung auf Grundlage einer geringeren Zahl oder anderer nicht-klinischer Daten erfolgen; die Kriterien für die Bestimmung der Anfangsdosis sind Bestandteil der zulassungsrechtlichen Leitlinien.2

Nicht-klinische Ergebnisse können die Weiterentwicklung des Wirkstoffs stoppen.

Eines der Hauptziele nicht-klinischer Studien ist die Aufdeckung von Zielorgan-Toxizität; sollte eine solche festgestellt werden, kann die weitere Entwicklung des Wirkstoffs gestoppt oder das gewonnene Wissen für die Überwachung möglicher Toxizitäten beim Menschen genutzt werden.

Nicht-klinische Ergebnisse, die die Weiterentwicklung eines neuen Arzneimittels stoppen können:

  • Aufdeckung von Zielorgantoxizität (z. B. Hepatotoxizität, d. h. giftige Wirkung auf die Zellen der Leber) des Wirkstoffs im Tiermodell; die weitere Entwicklung sollte erneut überdacht werden, auch wenn der prädiktive Wert der Ergebnisse aus dem Tiermodell möglicherweise in Frage zu stellen ist.
  • Identifizierung ungünstiger pharmokokinetischer Eigenschaften, beispielsweise wenn ein Produkt nicht an seinen Wirkort gelangt, sich ansammelt oder Toxizität induziert. Dies erklärt auch die frühzeitige Durchführung von pharmakokinetischen Untersuchungen zur Optimierung der Auswahl erfolgreicher Produktkandidaten.

Spezifika der nicht-klinischen Entwicklung biologischer Wirkstoffe.

Biologika sind – verglichen mit niedermolekularen Verbindung – komplex (z. B. große Moleküle, Gewebe, Zellen, Proteine). Auch wenn die Prinzipien dieselben sind, muss der nicht-klinische Entwicklungsplan für Biologika unter Beachtung eines fallweisen Ansatzes angepasst werden.

Derzeit bilden sich jedoch – angespornt durch neu gewonnene Erfahrungen und neue zulassungsrechtliche Vorgaben – auch Standard-Entwicklungspläne für Biologika heraus, die sich von den bestens etablierten Entwicklungsplänen für niedermolekulare Verbindungen unterscheiden.

A2-2.01.2-V1.2