Interview mit Claas Röhl

Last update: 18 Juli 2023

Transkript

Ich heiße Claas Röhl. Ich bin aus Wien in Österreich. Vor zweieinhalb Jahren habe ich die Patientenorganisation NF Kinder gegründet; wir kämpfen um Menschen mit Neurofibromatose, einer seltenen genetischen Krankheit. Wir versuchen ihnen zu helfen, besseren Zugang zur richtigen gesundheitlichen Versorgung zu bekommen. Wir versuchen Forschungsprojekte anlaufen zu lassen, uns mit Patienten zu verbinden, und ihnen auch mit psychosozialen Aktivitäten zu helfen.

Wir versuchen Informationen nach Österreich zu bringen, weil hier ein Mangel an Informationen unter den Ärzten besteht. Wir besuchen internationale Konferenzen. Ich bringe Ärzte von der Wiener Universitätsklinik, die ohne mich diese Konferenzen nicht besuchen würden. Ich habe ihnen sogar gezahlt, oder angeboten die Reisekosten zu zahlen, damit sie wirklich Zugang zu den neuesten Informationen haben und dieses Know-how dann nach Österreich bringen, um die Patienten richtig zu behandeln. Wir bieten jungen Wissenschaftlern, Ärzten oder Psychologen Stipendien an. Wir möchten wirklich das Bewusstsein über diese Krankheit stärken, und wir haben junge Talente, die sich auf diese Krankheit konzentrieren, weil es an Informationen unter den Fachkräften aber auch unter den Patienten mangelt.

WELCHE ART VON TRAINING HABEN SIE; UM PATIENTEN IN DER PATIENTENBEFÜRWORTUNG ZU HELFEN?

Vor drei Jahren, als ich mich entschloss diese Organisation zu gründen und zu entwickeln, war mein erster Schritt, dass ich mich mit der nationalen Fundraising-Organisation in Verbindung setzte und einen Trainingskurs absolvierte, denn Fundraising ist so wichtig. Man braucht die Mittel um etwas zu tun und zu erreichen. Das war für mich wirklich wichtig. Ich habe das also gemacht. Vergangenen Sommer besuchte ich die EURORDIS Schule, einen Trainingskurs für Vertreter von Patienten mit seltenen Krankheiten und auch über Forschung und Entwicklung. Das war meine erste Einführung in den professionellen Forschungs- und Entwicklungsprozess, und wie sich Patienten beteiligen können. I war wirklich froh, dass ich das gemacht habe. Als ich hörte, dass ich mich bei EUPATI bewerben konnte, war ich sehr froh und habe es sofort getan; glücklicherweise konnte ich am zweiten Kurs teilnehmen. Jetzt habe ich sogar die Möglichkeit mich noch mehr mit dem Forschungs- und Entwicklungsbereich zu befassen. Diese drei Trainingskurse sind meine Grundlagen für meine tagtägliche Arbeit.

Einerseits kenne ich die Verfahren jetzt sehr gut und auch die Terminologie; wenn ich mit Wissenschaftlern, Akademikern, Ärzten, Regulierungsbeamten oder Vertretern der Pharmaunternehmen spreche, verstehe ich ihre Position und Perspektiven, kann auf gleicher Augenhöhe mit ihnen sprechen, damit auch sie wissen, dass ich informiert bin und mich ernst nehmen, was sie vielleicht früher nicht getan hätten. Das ist ein sehr wichtiger Teil. Man muss die Verfahren kennen, wie die Dinge wirklich laufen und entwickelt werden, man braucht dieses Verstehen; es ist ein wichtiger Teil der Beteiligung an EUPATI.

Es ist mein Ziel mich am frühestmöglichen Stadium zu beteiligen, damit ich mit Wissenschaftlern diskutieren kann welche Fragen wir fragen müssen, worauf sich Forschung konzentrieren sollte; wir führten eine Befragung unter deutschsprechenden Patienten durch. Ungefähr 300 Patienten nahmen an dieser Umfrage teil, und wir fragten u.a. „Was meinen Sie, dass Forschung wirklich tun sollte?” Weil es in unserer Krankheit eine so große Anzahl von Symptomen gibt, muss man sich auf eine Sache konzentrieren. Es stellte sich heraus, dass die zwei für Patienten wichtigsten Symptome in der Forschung am meisten vernachlässigt werden; das ist ein wirklich guter Anfang für eine Konversation zu sagen „Sie lösen nicht wirklich die Probleme der Patienten, wir sollten daher diskutieren, was wir in der Zukunft machen.”

Das ist ein sehr wichtiger Teil, und deshalb haben wir uns von Anfang an beteiligt, und wir fragen die richtigen Fragen, und dann planen wir die Studie, damit die Patienten das Gefühl haben „Das ist etwas Wichtiges für mich, und ich möchte daran teilnehmen.” In Bezug auf klinische Studien haben wir weniger Probleme Patienten einzubeziehen; sie sind bereits durch die Patientenorganisation informiert, die ein Teil dieses Prozesses vom Anfang an ist; es ist eine weitere Vertrauensbasis die, glaube ich, sehr wichtig ist. Oft beginnt Patientenbeteiligung nur, wenn es eine klinische Studie gibt und sie endet nach der Studie; wir wollen aber weiterhin beteiligt sein, weil es sehr wichtig ist, dass wir am Gesundheitstechnologiebewertungs-Prozess beteiligt sind und mit den Regulierungsbeamten in Kontakt stehen, damit wir diese Leute überzeugen können, dass wir dieses Medikament auf dem Markt benötigen, und dass, z. B. die Kosten den Patienten rückerstattet werden, damit sie zu diesem Medikament Zugang haben.

WAS SIND EINIGE HERAUSFORDERUNGEN UND HINDERNISSE, DENEN SIE IN IHRER ARBEIT ALS PATIENTENVERTRETER AUSGESETZT SIND?

Zum einen ist es ein täglicher Kampf die finanziellen Mittel zu bekommen. Ich könnte den ganzen Tag damit verbringen, aber ich habe viel Wichtigeres zu tun als Fundraising. In Österreich bekommen wir keine finanzielle Unterstützung für eine NPO, wir sind daher zu 100% auf Spenden und Firmensponsoren angewiesen, das ist sehr wichtig und nimmt viel Zeit ein. Mein Wunsch wäre, dass es anders wäre. Es gibt europäische Beispiele, wo Unterstützung von der Regierung kommt.

Es ist eine Herausforderung Menschen zusammenzubringen, weil wir derzeit keine aktive europäische Patientenorganisation haben; wir haben gerade erst damit begonnen, und ich wurde zum europäischen Koordinator für diese große Aufgabe gewählt. Es ist sehr wichtig, dass Patienten, vor allem jene mit seltenen Krankheiten, verstehen, dass wir alle die gleichen Herausforderungen und Ziele haben. Wir müssen verstehen, dass wir diese Ziele viel früher erreichen, wenn wir zusammenarbeiten und unsere Anstrengungen vereinen, denn es ist eine Verschwendung von Geld, Zeit und Ressourcen, wenn jedes Land das Rad wiedererfindet.

Nicht nur Patienten müssen zusammenarbeiten. Wir müssen mit akademischer Forschung aber natürlich auch mit Pharmaunternehmen und den Behörden zusammenarbeiten. Das ist eine große Aufgabe, weil ich glaube, dass Patientenbeteiligung gerade erst begonnen hat. Die Menschen verstehen die Wichtigkeit des Konzepts, aber im praktischen Leben existiert es noch nicht recht. Meiner Erfahrung nach ist es eine große Herausforderung, denn derzeit ist kein Medikament für meine Krankheit am Markt. Die Pharmaunternehmen sprechen wirklich nicht viel mit mir, denn sie sagen „Wegen unserer Compliance-Richtlinien können wir Sie nur unterstützen, wenn wir in Ihrem Krankheitsbereich aktiv sind”. Das ist vielleicht eine große Herausforderung. Und es ist schwierig für Menschen zusammenzuarbeiten, weil akademische Forschung so wettbewerbsorientiert ist. Die Menschen arbeiten lieber nicht zusammen und präsentieren ihre Daten getrennt als das große Bild zu sehen und zu sagen „okay, wir arbeiten zusammen und erreichen unser Ziel früher.” Aber momentan tun sie das nicht. Ja. Ich möchte nicht zu bezeichnend werden und sagen, dass sie sich mehr auf ihre Karrieren als auf die Patienten konzentrieren, aber momentan konzentriert sich das System nicht auf die Patienten, sondern auf die Veröffentlichung von Studien.

Ich glaube, dass EUPATI mir die Grundkenntnisse gegeben hat eine richtige Strategie zu entwickeln, um die vielen, vielen Probleme, die unsere Krankheitsgruppe konfrontiert, zu lösen. Ich hoffe, dass ich dieses Wissen verwenden kann und die Menschen um mich vereinigen kann, dass wir dieses Ziel erreichen und zusammenarbeiten. Ich glaube der Schlüssel zum Erfolg ist Zusammenarbeit und zu wissen was man will und wie man es erreichen kann.

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