Ethik in der medizinischen Forschung am Menschen

Einleitung

Die Anwendung des Humanexperiments zur Beurteilung der Wirksamkeit eines Arzneimittels oder therapeutischen Verfahrens anhand der Ergebnisse ist ein jahrtausendealtes Konzept in der Zivilisation des Westens. Anekdotisch findet sich das Konzept in den Schriften griechischer, römischer und arabischer Ärzte des Altertums. Auf dieser Grundlage war Hippokrates der erste Arzt, der noch heute gültige ethische Prinzipien für die Forschung am Menschen festlegte:

  • Automomie – Respektierung der Autonomie des Teilnehmers bzw. seines gesetzlichen Vertreters
  • Fürsorge – Jederzeitiges Handeln zum Wohle des Teilnehmers
  • Schadensvermeidung – Möglichst geringe Schädigung des Teilnehmers
  • Gleichheit und Gerechtigkeit – Faire Behandlung aller Teilnehmer

Geschichte der Ethik in der medizinischen Forschung

Im 18. Jahrhundert leistete Edward Jenner Pionierarbeit auf dem Gebiet der Schutzimpfung gegen Infektionskrankheiten, jedoch ignorierte seine Forschung die zu diesem Zeitpunkt noch nicht definierten Grundrechte von Patienten in der Forschung. Louis Pasteur verstand, dass zunächst umfangreiche Erkenntnisse im Tiermodell gewonnen werden müssen, bevor ein Mensch einem Experiment ausgesetzt wird. Der dringende Bedarf führte zu einer ersten Verabreichung an einen Menschen im Jahr 1885.

Im 20. Jahrhundert erfuhr die medizinische Forschung mit sich rapide entwickelnden Methoden, Präzisionsmessverfahren und der schnellen Entwicklung neuer wissenschaftlicher Disziplinen einen Quantensprung. Dennoch wurden weiterhin in vielen Ländern unethische Experimente an Menschen durchgeführt, so beispielsweise die zwischen 1932 und 1972 vom U.S. Public Health Service durchgeführte Tuskegee-Syphilis-Studie oder Experimente in Konzentrationslagern während des Zweiten Weltkriegs.

Definition der Prinzipien ethischer Forschung am Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg

Beginnend mit den Nürnberger Prozessen im Jahr 1947 wurden die Prinzipien ethischer Forschung am Menschen definiert. Grundlage dieser Prinzipien ist die freiwillige informierte Einwilligung der Studienteilnehmer. Die Vereinten Nationen (UN) sowie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ergänzten dies um die Priorisierung des Wohlbefindens des Einzelnen gegenüber den Interessen der Patienten als Gesamtheit. Im Jahr 1961 erschütterte der Contergan-Skandal, in dessen Verlauf 2000 Kinder starben und 10.000 Kinder schwere Behinderungen erfuhren, die Öffentlichkeit in aller Welt. Die Behörden waren gezwungen, aktiv zu werden und gesetzliche Maßnahmen zur Überwachung der Erforschung neuer Arzneimittel zu implementieren. Im Jahr 1964 entwickelte der Weltärztebund (WMA) die auch heute noch von ihm gepflegte und laufend aktualisierte Deklaration von Helsinki als Leitfaden für in der Forschung am Menschen tätige Ärzte

Im den vergangenen 60 Jahren entwickelten sich in schneller Folge verschiedene Codices, Richtlinien und Gesetze zur Lenkung der ethischen Forschung am Menschen. Seitdem medizinische Experimente nicht mehr hinter verschlossenen Türen stattfinden, stehen Entscheidungen, die zuvor einzig dem Gewissen einzelner Ärzte unterlagen, im Rampenlicht der öffentlichen Aufmerksamkeit. Zwischen Forscher und Forschungsobjekt stellte sich ein neues Autoritätsgleichgewicht ein, und die Autonomie des Studienteilnehmers erfuhr eine deutliche Aufwertung.

Wissenschaftliche und technologische Fortschritte führten mit der beständigen Weiterentwicklung einer Vielzahl unterschiedlicher neuer Forschungsgebiete wie der Reproduktionsmedizin, der Stammzellenforschung, der Pränataldiagnostik und der Sterbehilfe zur kontinuierlichen Entwicklung von Ethik-Prinzipien und -Leitlinien.

Die Beurteilung von Studienanträgen durch Ethik-Kommissionen und die Aufsichtsbehörden trägt dazu bei, das Wohlbefinden, die Sicherheit und den Schutz der an klinischen Studien teilnehmenden Personen sicherzustellen. Die Kooperation bei der Verbesserung der ethischen Durchführung klinischer Studien liegt im besten Interesse aller Beteiligten (einschließlich der Patientenvertreter).

Quellenangaben

World Medical Association (2013). WMA Declaration of Helsinki – Ethical principles for medical research involving human subjects. Online. Retrieved 4 July, 2021, from: https://www.wma.net/policies-post/wma-declaration-of-helsinki-ethical-principles-for-medical-research-involving-human-subjects/

A2-4.03-V1.2