Beurteilung der Patient Reported Outcomes (PROs)

Einleitung

Maße für die klinische Wirksamkeit spiegeln typischerweise Ergebnisse wider, die für Patienten wichtig sind, wie etwa Symptome, Morbidität oder Mortalität.

Manchmal können Ergebnisse – wie etwa Herzinfarkte, ein bösartiges Wachstum (Krebs) oder Tod – festgestellt werden und anhand einer klinischen Definition von jemand anderem als dem Patienten gemessen werden. Allerdings besteht ein zunehmendes Bewusstsein dafür, dass Behandlungen nicht nur klinisch wirksam und rentabel, sondern auch für die Patienten akzeptabel und tatsächlich wünschenswert sein sollten. Maße für die klinische Wirksamkeit können uns nicht sagen, wie ein Patient sich fühlt oder funktioniert oder was er mit einer Behandlung erreichen möchte. Das Messen dieses Elements der Akzeptanz erfordert auf Patienten beruhende Evidenz, die Maße für Wohlbefinden einschließt.

Zu diesem Zweck wird ein zunehmender Fokus auf die Entwicklung von Patient Reported Outcomes (PROs) gelegt, die auf der Wahrnehmung einer Krankheit und ihrer Behandlung durch den Patienten beruhen (gemäß der Definition der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA)). Patient Reported Outcome Measures (PROMs) sind Instrumente, die zur Messung und Erfassung von Daten zu PROs verwendet werden.

Warum sind Patient Reported Outcomes (PROs) wichtig?

Patient Reported Outcomes sind wichtig, da sie eine Perspektive des Patienten von der Krankheit/Behandlung liefern, die durch ein klinisches Maß eventuell nicht erfasst wird, aber für den Patienten (und seine Therapietreue) genauso wichtig wie ein klinisches Maß sein kann. Stellen Sie sich beispielsweise eine Situation vor, in der ein Patient die Diagnose chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) erhält. Ein schneller Blick auf eine Überprüfung der klinischen Studien zur Behandlung von COPD deckt Folgendes auf:

Tiotropium senkt die Anzahl an Teilnehmern, die eine oder mehr Verschlechterungen erleiden, im Vergleich zu [langwirkenden Beta-Agonisten] (Odds Ratio (OR) 0,86; 95-%-Konfidenzintervall (KI) 0,79 bis 0,93)… Es bestand kein statistisch signifikanter Unterschied beim forcierten Expirationsvolumen innerhalb einer Sekunde (FEV(1)) oder beim Symptom-Score zwischen Patienten, die mit Tiotropium behandelt wurden, und Patienten, die mit langwirkenden Beta-Agonisten behandelt wurden.

Was sagen diese Befunde darüber aus, wie der Patient die neue Behandlung empfindet? Was darüber, wie er in der Lage war, seine Alltagsaktivitäten auszuführen? Es ist ein näheres Verständnis dessen, was diese Ergebnisse für den Patienten bedeuten, notwendig. Zum Beispiel:

  • Ist eine Verschlechterung etwas, das zu einem Krankenhausaufenthalt führt? Oder handelt es sich um einen Hustenanfall, der zu Hause stattfinden kann?
  • Ist die Laboruntersuchung FEV(1) etwas, das sich direkt darauf auswirkt, wie die Patienten funktionieren?
  • Erfasst der Symptom-Score, wie sich der Patient fühlt, oder ist er ein „objektives“ Maß für Symptome?

Im Gegensatz zu klinischen Standardergebnissen geben uns PROs einen einzigartigen Einblick darin, wie sich eine Therapie auf einen Patienten auswirken kann. Einzelpersonen mit genau den gleichen Gesundheitszuständen, Diagnosen oder Krankheiten können unterschiedliche Wahrnehmungen davon haben, wie sie sich fühlen und funktionieren, da ihre Fähigkeiten, mit den Einschränkungen und Behinderungen umzugehen, und andere Faktoren die Wahrnehmung über die Zufriedenheit mit dem Leben beeinflussen können. PRO-Maße sind wichtig, da sie zu einer medizinischen Wissenschaft führen können, die sich stärker auf den realen Nutzen konzentriert, der für die Patienten erreichbar ist.

Die Fähigkeit, das Wohlbefinden als Ergebnis zu messen, wird in klinischen Situationen besonders wichtig, in denen das primäre Ziel der Behandlung das Wohlbefinden des Patienten und nicht die Verlängerung der Lebenserwartung oder die Reduzierung von Krankheitsereignissen ist. Zum Beispiel können Patienten mit der Diagnose einer chronischen Krankheit, die nicht unverzüglich lebensbedrohlich ist, sehr stark um ihren emotionalen Zustand und ihre Fähigkeit, ein ausgefülltes Leben zu leben, besorgt sein. Ein Patient mit einer Krankheit im Endstadium kann mehr um sein Komfortniveau, seine Fähigkeit, länger zu leben, und die Auswirkungen der Krankheit auf seine Angehörigen besorgt sein.

Welche Ergebnisse sind wichtig? Wie werden sie gemessen?

PROs müssen sorgfältig definiert werden, damit sie die Informationen erfassen, die für Patienten wichtig sind. Diese Informationen müssen auch präzise und soweit wie möglich auf eine Art und Weise gemessen werden, die sie mit anderen Maßen vergleichbar macht. Eine mangelhafte Konzeptentwicklung wird zur Messung von Ergebnissen führen, die für Patienten nicht wichtig sind (jedoch präzise gemessen wurden), während mangelhafte Messmethoden ein Ergebnis, das für Patienten wichtig ist, feststellen, allerdings schwer zu interpretieren sind.

Das bedeutet, dass es sehr wichtig ist, wie eine Frage formuliert ist – vage Frage können vage und damit nutzlose Informationen liefern. Ein Patient kann zum Beispiel gefragt werden: „Wie fühlen Sie sich auf einer Skala von 1 bis 10?“ (1 bedeutet schlecht und 10 ausgesprochen gut). Das ist sehr unpräzise. Spezifischere Fragen in Bezug auf das emotionale Wohlbefinden, das durch Mobilität, Atmung etc. beeinflusst wird, werden detailliertere und spezifischere Informationen liefern. Präzise Entscheidungen darüber, was gemessen wird und wie detailliert die Fragenformulierung sein muss, sind daher von großer Bedeutung.

Bei PROs ist ein Konzept“ das Messziel, wie etwa:

  • ein Symptom oder eine Gruppe von Symptomen
  • Wirkungen auf eine bestimmte Funktion oder Gruppe von Funktionen oder
  • eine Gruppe von Symptomen oder Funktionen, die nachweislich ein Maß für die Schwere einer Erkrankung darstellen.

Hat man sich über das „Konzept“ geeinigt, werden Patienten Fragen dazu gestellt. Diese Fragen werden als „Items“ bezeichnet. Items werden abgefragt, um die Veränderung beim Konzept zu verstehen.

Zum Beispiel können Forscher, die das Ansprechen von Patienten mit COPD auf eine Therapie untersuchen, anerkennen, dass diese Patienten die Ausführung der Aufgaben morgens als schwieriger empfinden. Das Konzept, zu deren Messung sie sich entscheiden, ist die Last und das Ausmaß der morgendlichen Symptome sowie die Fähigkeit von Patienten, Aktivitäten zu dieser Tageszeit auszuführen. Die Items zur Erfassung dieses Konzepts können Fragen wie diese sein:

  • Haben Sie sich heute Morgen mehr als Ihr Gesicht gewaschen, z. B. den gesamten Körper, geduscht, gebadet?
  • Haben Sie sich heute Morgen angezogen?
  • Sind Sie heute Morgen nach der Einnahme Ihres Arzneimittels durch Ihre Wohnung gelaufen?

Die optionalen Antworten, die Patienten auf diese Fragen vorgegeben werden, können eine Reihe von Antworten umfassen, wie etwa:

  • Ja, ich habe es selbst getan
  • Ja, aber ich brauchte Hilfe
  • Nein, ich war nicht in der Lage dazu
  • Nein, ich habe es aus anderen Gründen nicht getan

Den Patienten kann auch eine Option zu einer Folgefrage gegeben werden, wie etwa „Wie schwierig war es für Sie, diese Aufgabe auszuführen?“.

In einigen Fällen haben Pfleger und Ärzte das Konzept, das an eine Krankheit und Patientengruppe gebunden ist, entwickelt. Allerdings wird das Bedürfnis von Patienten, selbst bei der Identifizierung und Entwicklung von Konzepten zu helfen, zunehmend anerkannt.

Die wichtigsten anhand von PROs gemessenen Konzepte

  • Gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL)HRQoL ist mehrdimensional; es repräsentiert die Bewertung des Patienten einer Erkrankung und ihrer Behandlung in seinem Alltag, einschließlich: körperliches Funktionieren, psychisches Funktionieren, soziales Funktionieren, Funktionieren in Rollen, emotionales Funktionieren, Wohlbefinden, Vitalität, Gesundheitszustand etc.
  • PatientenzufriedenheitBewertung von Behandlungen, Vorlieben des Patienten, Gesundheitswesen und Angehörigen der Gesundheitsberufe, Schulungsprogrammen für Patienten und Medizinprodukte.
  • Körperliches FunktionierenKörperliche Einschränkungen und Beschränkungen bei Aktivitäten, einschließlich: Selbstfürsorge, Laufen, Mobilität, Schlaf, Sex, Behinderungen.
  • Psychischer ZustandPositive oder negative Emotionen und kognitives Funktionieren, einschließlich: Zorn, Aufmerksamkeit, Selbstwertgefühl, Gefühl von Wohlbefinden, Kummer, Bewältigung.
  • Zeichen und SymptomeBerichte körperlicher und psychischer Symptome oder Gefühle, die nicht direkt zu beobachten sind, einschließlich: Energie und Ermüdung, Übelkeit, Reizbarkeit.
  • Soziales FunktionierenEinschränkungen auf der Arbeit oder in der Schule, Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.
  • TherapietreueBerichte oder Beobachtungen zur tatsächlichen Anwendung von Behandlungen.
  • NützlichkeitNützlichkeit bzw. Brauchbarkeit ist die nutzbringende Beschaffenheit von etwas zur Befriedigung von Bedürfnissen. In der Gesundheitsökonomie wird die Patientenpräferenz anhand der Nützlichkeit gemessen, z. B. wie wichtig verschiedene Faktoren für Patienten sind, wie beispielsweise Symptome, Schmerzen und psychische Gesundheit. Dann kann die Auswirkung neuer Behandlungen auf diese Faktoren und somit auf die Lebensqualität ermittelt werden. Dies ist ein gängiger Ansatz von Gremien zur Bewertung von Gesundheitstechnologien, die empfehlen, ob Behandlungen (beispielsweise) von Gesundheitsbehörden finanziert werden sollen.1

Wie messen und interpretieren?

Die Methoden zur Messung sind sehr wichtig in der PRO-Forschung. Sind das Konzept und seine Items identifiziert und festgelegt, müssen zudem gewissenhafte Entscheidungen zu Folgendem getroffen werden:

  • wie die Fragen den Patienten gestellt werden,
  • wann die Fragen den Patienten gestellt werden,
  • wie die Antworten erfasst werden und
  • wie die Daten interpretiert werden.

Typischerweise werden PROs anhand von Fragebögen oder Befragungen gemessen, die entweder:

  • von den Patienten selbst ausgefüllt werden,
  • vom Patienten in Anwesenheit des Forschers ausgefüllt werden oder
  • vom Forscher in einem persönlichen Interview oder einem Telefoninterview ausgefüllt werden.

Es gibt Stärken und Schwächen bei den verschiedenen Ansätzen zur Informationserfassung. Während zum Beispiel die Nutzung geschulter Interviewer Fehler senkt und sicherstellt, dass Befragungen abgeschlossen werden, erlauben die Studien-/Behandlungsressourcen dies eventuell nicht.

Es ist sehr wichtig, dass sich die verwendeten Ansätze und Methoden mit den Wahrnehmungen und dem eigentlichen zu messenden Konzept befassen, anstatt sich auf den Interviewer und die Art und Weise, in der Fragen gestellt werden, zu konzentrieren. Beim Beispiel der COPD im Abschnitt oben können die morgendlichen Symptome zuverlässiger ermittelt werden, wenn der Fragebogen am Morgen ausgefüllt wird, anstatt zu einem späteren Zeitpunkt am Tag.

Die Forscher, die diese Tools/Instrumente entwickeln, müssen sich bemühen sicherzustellen, dass sie für Patienten wichtige Konzepte auf eine Art und Weise messen, die wiederholbar und verständlich ist. Tabelle 1 unten liefert einen Überblick über wichtige Aspekte, die bei PROMs zu berücksichtigen sind.

Aspekte, die bei PROMs zu berücksichtigen sind
Eigenschaft Beschreibung
Zuverlässigkeit Messungen sind wiederholbar und einheitlich und müssen zwischen Veränderungen bei der Antwort und Veränderungen aufgrund der Durchführung unterscheiden.
Validität
Augenscheinvalidität Misst, was gemessen werden soll
Kriteriumsvalidität Messung von Aspekten, die tatsächlich für Patienten wichtig sind
Inhaltsvalidität Das Ausmaß, zu dem ein Instrument alle Schlüsselbereiche von Relevanz abdeckt
Konstruktvalidität Messungen spiegeln wider, was in Wirklichkeit geschieht
Reaktionsfähigkeit Veränderung der Maße als Reaktion auf Veränderung der HRQoL
Durchführbarkeit Die Messungen sind leicht zu erzielen und das Instrument ist leicht zu handhaben.
Interpretierbarkeit Die Bedeutung der Messungen werden eher von Ärzten oder Forschern als von Patienten und anderen verstanden

Patient Reported Outcomes, Bewertung von Gesundheitstechnologien und Patientenbeteiligung

Viele Gremien zur Bewertung von Gesundheitstechnologien (HTA) verlassen sich auf die Synthese von Evidenz, um Empfehlungen in Bezug auf den Zugang zu neuen Therapien zu geben. HTA beruht weitgehend auf quantitativer Forschung aus klinischen Daten und Patientenerfahrung aus PROMs.

Es sollte eindeutig ein wichtiger Teil der Patientenbeteiligung bei der Verwendung von PROs während der Stadien der klinischen Entwicklung stattfinden. Wenn allerdings eine Einreichung für eine Zulassung bereits erfolgt ist, kann es für eine solche Beteiligung zu schwierig sein.

Viele PROMs wurden nicht mit der umfassenden Beteiligung von Patienten entwickelt.2

Das heißt, dass PROMs nicht notwendigerweise Konzepte messen, die für Patienten wichtig sind. Es gibt zahlreiche Dinge, die Patientengruppen tun können, um diese Lücke vor, während und nach der PROM-Entwicklung zu füllen:

  • Bewertung und Überprüfung von PROMs – Patienten und Patientengruppen können lernen, die Qualität von PROMs einzuschätzen. Sie können die Informationen verwenden, die sie erzielen, um ähnliche Patientengruppen darüber zu informieren, welche Skalen relevant sind und welche nicht. Dies kann insbesondere für Patienten wichtig sein, die ihre zu Zustimmung zur Teilnahme an klinischen Prüfungen geben.
  • Identifizierung der Notwendigkeit von PROMs – Es gibt einige Initiativen, in denen Patienten die Notwendigkeit von PROMs identifizieren. Dies ist von besonderer Bedeutung für Unternehmen, die Maße sehr früh in der Arzneimittelentwicklung identifizieren müssen. Die FDA hat auch in diesem Bereich in gewissem Maße die Führung übernommen (weitere Informationen siehe http://www.patientnetwork.fda.gov/)
  • Entwicklung und Bewertung konzeptueller und/oder theoretischer Rahmen – Die Validierung dieser Tools erfordert qualitative Forschung mit Patienten. Auch wenn Patienten in der Vergangenheit befragt wurden, besteht ein festgestellter Bedarf, mit Patienten zusammenzuarbeiten und ihnen mehr Einfluss auf die Entwicklung von PROMs zu geben.
  • Liefern von Konzepten durch Bewusstsein für PRO – Wenn Patienten Erfahrungen beschreiben, wie es ist, mit einer Krankheit zu leben, identifizieren sie indirekt Konzepte von Gesundheit, die für sie besonders wichtig sind. HTA-Gremien versuchen oft, PROMs zu finden, die diese Konzepte erfassen. Ein gewisses Bewusstsein dafür, welche PROs bereits bestehen, kann Patienten helfen, HTA-Gremien Erfahrungen und Konzepte besser zu beschreiben, um sicherzustellen, dass PROs erfasst werden.
  • Befürworten von PROMs – Patientengruppen, die PROMs überprüft haben, können ebenfalls in Erwägung ziehen, sie als Teil von Patienteninput-Prozessen für HTA zu befürworten.
  • Hervorheben von Bedarf – Patienten können auch auf PROMs, die nicht mit Patientenbeteiligung validiert wurden, oder Konzepte, die eine Entwicklung eines PRO erfordern, hinweisen.
  • Überprüfen von HTA-Outputs – Viele HTA-Entscheidungen berücksichtigen finanzielle Evidenz, die auf Messungen der gesundheitsbezogenen Lebensqualität beruhen. HRQoL-Messungen sollten Sinn für Patienten machen, da diese Messungen den Unterschied zwischen positiven und negativen Aufnahmeentscheidungen machen.

Weitergehende Informationen

Quellenangaben

  1. PROQOLID (2015). ‘Free access level: Concept of interest’. Retrieved 6 January, 2016, from http://www.proqolid.org/about_proqolid
  2. Staniszewska, S., Haywood, K.L., Brett, J., Tutton, L. (2012). ‘Patient and public involvement in patient-reported outcome measures: Evolution not revolution’. The Patient, 5(2), 79-87.

A2-6.06-v1.1