Beurteilung der Einhaltung der Studienanweisungen durch die Teilnehmer während klinischer Studien

Was ist Einhaltung?

Die Einhaltung der Studienanweisungen (auch als „Therapietreue“ oder „Compliance“ bezeichnet) durch die Teilnehmer ist bei jeder klinischen Studie ganz wichtig. Vielleicht ist ein Teilnehmer einer bestimmten Studie aber nicht in der Lage, das Prüfpräparat (IMP, investigational medicinal product) in der erforderlichen Weise einzunehmen. In diesem Fall sind die von diesem Teilnehmer erfassten Daten keine gültige Angabe darüber, wie dieses Arzneimittel wirkt.

Therapietreue oder Compliance ist auch im klinischen Alltag von Patienten von Bedeutung, aber innerhalb einer klinischen Studie geht es um den Grad der Einhaltung der entsprechenden Anordnungen, die dem Teilnehmer für die Zeit seiner Teilnahme an der klinischen Studie gegeben worden sind.

Im Gegensatz zum normalen Leben wird von Teilnehmern einer klinischen Studie oftmals mehr verlangt, als das Arzneimittel nach Anordnung einzunehmen. Unter Umständen müssen sie auch

  • zu bestimmten Zeiten in der Klinik erscheinen, damit bestimmte Tests durchgeführt werden können.
  • zwischen den Besuchsterminen Fragebögen über ihr Befinden ausfüllen.
  • eventuelle Nebenwirkungen aufschreiben und dem Mediziner mitteilen.

Alle diese Aktivitäten tragen dazu bei, die Therapietreue des Teilnehmers einzuschätzen. Diese wird später im Studienbericht festgehalten.

Es gibt oftmals Vieles, das sich ein Teilnehmer einer klinischen Studie merken muss. Es ist wichtig, dass er genau versteht, was von ihm erwartet wird und die Gelegenheit bekommt, so viele Fragen wie nötig zu stellen.

Was geschieht, wenn sich Teilnehmer nicht an die Anweisungen halten?

Die Anzahl der Teilnehmer, die an einer klinischen Studie teilnehmen müssen, damit die Ergebnisse aussagekräftig sind, wird mithilfe einer statistischen Größe berechnet, die sich „Teststärke“ nennt.

Eine weitere wichtige Frage bei der Bestimmung der geeigneten Anzahl der Teilnehmer ist die Einschätzung, wie viele Teilnehmer der Studie in der Lage sind, alle zur Studie gehörenden Aktivitäten auszuführen.

Studien haben gezeigt, dass zwischen 43 % und 78 % der Teilnehmer, die in einer klinischen Studie eine Behandlung gegen eine chronische Erkrankung erhalten, als therapietreu eingestuft werden können (1). Die Auswirkung mangelnder Therapietreue von Studienteilnehmern ist erheblich:

  • Wenn Teilnehmer nicht zu allen geplanten Terminen erscheinen, fehlen die Daten dieser Personen, und dies bewirkt, dass eine genaue Sicherheits- und Wirksamkeitsbeurteilung des IMP nicht stattfinden kann. Langfristig kann dies zu schlechten Ergebnissen für andere Patienten führen, die in der Zukunft mit demselben Medikament behandelt werden.
  • Es hat auch finanzielle Nachteile für den Sponsor der klinischen Studie, wenn Teilnehmer den Prüfplan nicht einhalten. Wenn Teilnehmer nicht in der Studie bleiben, lassen sich nicht alle erforderlichen Abschnitte der Studie abschließen und der Sponsor muss zusätzliche Teilnehmer für die Studie rekrutieren, um zu gewährleisten, dass das IMP korrekt geprüft wird.

Wie wird die Einhaltung der Studienanweisungen durch die Teilnehmer während klinischer Studien beurteilt?

Es gibt viele verschiedene Arten, die Einhaltung des Prüfplans durch einen Teilnehmer zu messen. Einige Beispiele:

Patiententagebücher

Hierbei kann es sich um papierbasierte oder elektronische Aufzeichnungen handeln. Dort sollen während einer klinischen Studie alle benötigten Informationen von den Teilnehmern eingetragen werden, beispielsweise die Uhrzeit der Einnahme des Arzneimittels oder das Befinden des Patienten zu verschiedenen Tageszeiten.

Papierbasierte Tagebücher werden bereits seit längerer Zeit eingesetzt und sind meist einfach zu führen. Jedoch kann es vorkommen, dass der Teilnehmer den täglichen Eintrag vergisst (2), und das klinische Personal muss alle Informationen zeitintensiv in eine elektronische Form überführen, damit sie analysiert werden können.

Elektronische Tagebücher werden von viele Sponsoren bevorzugt, weil mit ihnen Datum und Uhrzeit eines Eintrags genau erfasst werden kann und sie so eine zuverlässigere Informationsquelle darstellen. Dabei gibt es Möglichkeiten, zu verhindern, dass Teilnehmer das Tagebuch erst kurz vor dem Besuchstermin ausfüllen anstatt in der vorgeschriebenen Weise (3).

Direkte Beobachtung

Hierbei werden die Teilnehmer bei der Einnahme ihres IMP oder bei bestimmten Tätigkeiten, die zur Studie gehören, beobachtet. Der Vorteil dieser Methode ist, dass der Teilnehmer die erforderlichen Aufgaben auch ganz sicher ausführt. Das Verfahren ist aber sowohl für den Teilnehmer als auch für das Studienpersonal sehr zeitaufwändig. Es wird hauptsächlich in Studien angewendet, in denen das IMP von medizinischem Personal verabreicht werden muss, z. B. per Injektion oder Infusion (Tropf).

Tablettenzählen

Bei dieser Methode erhält der Teilnehmer bei jedem Klinikbesuch mehr Tabletten, als er braucht. Er wird dann gebeten, die nicht verbrauchten Tabletten beim nächsten Klinikbesuch mitzubringen. Der Mediziner berechnet dann die Therapietreue auf Basis der Anzahl der zurückgebrachten Tabletten. Diese Kontrollmethode ist relativ einfach, hat sich aber in vielen Studien als unzuverlässig erwiesen (4).

Bestimmung des Arzneimittelspiegels im Blut oder Urin.

Bei manchen Studien ist es wichtig, dass die Konzentration des IMP im Blut oder Urin genau überwacht wird. Dieses Verfahren kann bei manchen klinischen Studien auch zur Einschätzung der Therapietreue eingesetzt werden. Es ist jedoch zu beachten, dass die Art, wie ein Arzneimittel im Körper abgebaut wird, von Teilnehmer zu Teilnehmer verschieden ist.

Intelligente Verpackung und intelligente Tabletten

Mit
intelligenten Packungen kann die Therapietreue unterstützt werden, indem erfasst wird, wann das Arzneimittel aus der Packung genommen wird. Die Daten werden später bei einem Klinikbesuch heruntergeladen oder in Echtzeit an einen Zentralcomputer gesendet.

Intelligente Tabletten enthalten Mikrochips, die mit einem Pflaster auf dem Körper des Patienten kommunizieren, wenn die Tablette geschluckt wird. Dadurch werden Informationen darüber erfasst, wann das Arzneimittel eingenommen wurde. Das Pflaster kann Messwerte wie Herzfrequenz und Körperlage (stand oder lag der Patient?) zum Zeitpunkt der Einnahme erfassen. Die Informationen können dann per Telefon an einen Zentralcomputer übertragen werden.

Quellenangaben

  1. Osterberg L, Blaschke T. N Engl J Med. 2005;353:487–97).
  2. Stone AA, et al. BMJ 2002;324:1193–1194 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC111114/pdf/1193.pdf
  3. Patient-Reported Outcome Measures. Rockville, MD: Food and Drug Administration; 2009.
  4. Rudd P, et al. Am J Hypertens 1988; 1(3 Pt 1):309–312.

 

A2-4.25.2-V1.0