Arzneimittelregulierung in Europa

Einleitung

Die Arzneimittelregulierung ist die Grundlage für die Sicherstellung, dass nur Arzneimittel, die eine hohe Qualität aufweisen, vermarktet werden. Arzneimittel sollten in der Behandlung der jeweiligen Erkrankung oder eines Zustands wirksam, frei von unannehmbaren Nebenwirkungen und von hoher Qualität sein.

In Europa schlägt die Europäische Kommission hochrangige Rechtsvorschriften in Form von Verordnungen und Richtlinien vor. Die Vorschläge werden geprüft und werden Rechtsvorschrift durch gemeinsame Anstrengungen zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten (MS) über den Europarat (CoE), CoE-Arbeitsgruppen und dem Europäischen Parlament. Einzelne MS tragen über CoE-Arbeitsgruppen zum Prozess bei.

Die im EU-Arzneimittelrecht festgelegten detaillierten Anweisungen betreffend die beste oder geeignetste Art und Weise, eine Verpflichtung zu erfüllen, nehmen die Form von Leitlinien an. Diese Leitlinien enthalten Vorschläge für Antragsteller oder Zulassungsinhaber betreffend Marktzulassungen, aber auch für zuständige Behörden und/oder andere interessierte Parteien. Die Leitlinien werden von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) oder der Europäischen Kommission ausgearbeitet. Die EU arbeitet auch mit anderen Teilen der Welt zusammen, um harmonisierte Leitlinien vorzubereiten – zum Beispiel mit den USA, Japan, Kanada, der Schweiz und anderen Ländern im Internationalen Rat für die Harmonisierung der Beurteilungskriterien von Human-Arzneimitteln (ICH) – und mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Bei jährlichen Treffen zwischen hohen Beamten der WHO und der Europäischen Kommission werden allgemeine Probleme im Arzneimittelbereich diskutiert. Diese Treffen und Kooperationen haben alle einen Einfluss auf die EU-Gesetzgebung.

WHO und EMA arbeiten auch am Aufbau von gemeinsamen Regulierungskapazitäten zusammen. Darüber hinaus kann die EMA die WHO bei Bewertungsaufgaben für Arzneimittel, die für Märkte außerhalb der EU bestimmt sind, unterstützen.

Das europäische Netzwerk in der Arzneimittelregulierung

Um der Industrie konkrete und detaillierte Leitlinien zur Verfügung zu stellen, arbeiten die zuständigen nationalen Behörden (NWB, nationale Wettbewerbsbehörden) mit der EMA zusammen. Ein informelles Netzwerk wurde zwischen den Leitern der Arzneimittelbehörden (HMA) jedes EU-Mitgliedstaates etabliert. Das Netzwerk trifft sich in regelmäßigen Abständen, mit EMA-Beteiligung.

NWB nehmen an der Entwicklung von Arzneimittelvorschriften auf allen Ebenen teil. Formal beteiligt sich der Gesundheitsminister eines Mitgliedstaates – oft von einem Mitarbeiter aus der NWB vertreten – an der Entwicklung von Richtlinien und Verordnungen. Die EMA koordiniert die Entwicklung von neuen und überarbeiteten wissenschaftlichen Leitlinien in der EU. Diese Arbeit übernehmen EMA Arbeitsgruppen/Parteien. Typischerweise ernennen die NWB der einzelnen Mitgliedstaaten ein Mitglied für jede EMA Arbeitsgruppe, in denen ein Großteil der Arbeit an den wissenschaftlichen Richtlinien erfolgt.

Regulatorische Richtlinien werden am häufigsten von der Europäischen Kommission in der Arbeitsgruppe für Mitteilung an die Antragsteller (NtA) entwickelt. Auch hier beteiligen sich Delegierte der NWB substantiell am Prozess.

Entwicklung von Leitlinien in der EU

Die Entwicklung von wissenschaftlichen Leitlinien für die Arzneimittelregulierung folgt einem festen Verfahren, das in der Regel von allen Arbeitsgruppen des EMA-Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) angewendet wird:

  1. Konzeptpapier zur neuen Richtlinie.
  2. Akzeptanz durch CHMP.
  3. Ernennung eines Referenten.
  4. Leitlinienentwurf in Arbeitsgruppe.
  5. Veröffentlichung des Entwurfes für Konsultation.
  6. Kommentare.
  7. Fertigstellung der Leitlinie in Arbeitsgruppe.
  8. Verabschiedung der Leitlinie in CHMP.
  9. Umsetzung der Leitlinie.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppen kommen aus und werden von den NWB der Mitgliedstaaten ernannt. Bevor eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung einer Leitlinie beginnt, muss der Vorschlag für diese neue Leitlinie vom CHMP genehmigt werden.

Ein Mitglied der Arbeitsgruppe wird zum Referenten gewählt. Der Referent bereitet den ersten Entwurf der Leitlinie vor. Der Entwurf wird anschließend bei EMA-Treffen in den Arbeitsgruppen diskutiert und geändert. Danach wird der Entwurf auf der EMA-Website veröffentlicht, damit ihn Industrie, NWB, und andere Beteiligten kommentieren können.

Schließlich wird die Leitlinie in der Arbeitsgruppe finalisiert und dem CHMP übermittelt, um vor der Veröffentlichung auf der EMA-Website formal verabschiedet zu werden http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/regulation/general/general_content_000043.jsp. Die neue Leitlinie tritt typischerweise sechs Monate nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Leitlinien können auch innerhalb der ICH-Struktur entwickelt werden. Diese Arbeit erfolgt in Zusammenarbeit zwischen der EU, den USA, Japan, der Schweiz, Kanada und anderen regionalen und nationalen Organisationen. Eine endgültige neue ICH-Richtlinie wird von den beteiligten Parteien vereinbart und auf regionaler Basis umgesetzt. In der EU muss eine ICH-Leitlinie vom CHMP formal verabschiedet werden; danach wird sie auf der EMA-Website als CHMP/ICH-Leitlinie veröffentlicht.

Rolle und Umsetzung von CHMP-Leitlinien

Leitlinien sind nicht zu verwechseln mit Verordnungen, Richtlinien oder nationalen Gesetzen. Sie bieten lediglich Anleitungen. Der Industrie wird empfohlen, bei der Vorbereitung von Dokumentationen für einen neuen Zulassungsantrag eines neuen Arzneimittels die Leitlinien zu befolgen. Es dauert jedoch viele Jahre, ein neues Arzneimittel zu entwickeln, und eine Leitlinie gilt nur für die Entwicklung oder Forschung, die nach Inkrafttreten der Leitlinie beginnt (in der Regel sechs Monate, nachdem die Leitlinie vom CHMP angenommen wurde).

In bestimmten Situationen ist es möglicherweise unangemessen, bei der Entwicklung eines neuen Arzneimittels eine Leitlinie zu befolgen. Wenn ein Unternehmen bei der Entwicklung von der Leitlinie abweichen will, muss es eine wissenschaftlich fundierte Begründung für die Abweichung liefern. Diese wird von den Behörden, die die Unterlagen bewerten, geprüft, und die Behörde muss entscheiden, ob die Abweichung gerechtfertigt ist. Sind sie der Ansicht, die Begründung sei akzeptabel, können sie sogar mit dem Verfahren beginnen, die Leitlinie entsprechend zu aktualisieren.

Wird der Marktzulassungsantrag über ein nationales Verfahren direkt bei den zuständigen nationalen Behörden (NWB) gestellt, dann entscheidet das Bewertungsteam der NWB, ob ein Antrag den Leitlinien entspricht und ob Abweichungen wissenschaftlich begründet sind. Jedoch können in Fällen, in denen die Marktzulassungsanträge über das zentralisierte Verfahren (CP), das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (MRP) oder das dezentralisierte Verfahren (DCP) eingereicht werden, Komplikationen auftreten. Zum Beispiel, obwohl der primäre Gutachter der Ansicht ist, dass alle Leitlinien hinreichend beachtet bzw. etwaige Abweichungen akzeptierbar gerechtfertigt wurden, können Gutachter von anderen Agenturen die Situation unterschiedlich betrachten.

Bei jedem Marktzulassungsverfahren wird mit diesen Unstimmigkeiten anders umgegangen. Im zentralisierten Verfahren werden diese Uneinigkeiten vom CHMP behandelt. Im dezentralisierten Verfahren bzw. im Verfahren der gegenseitigen Anerkennung werden sie von der Koordinationsgruppe für gegenseitige Anerkennung und das dezentralisierte Verfahren (human) (CMDh) der HMA (http://www.hma.eu/cmdh.html) diskutiert. Kommt die CMDh zu einer einstimmigen Entscheidung, wird der Fall geschlossen. Wird keine einstimmige Entscheidung getroffen, so muss die CMDh den Fall an den CHMP für die endgültige Entscheidung weiterleiten.

A2-5.03-V1.1