Arzneimittelknappheit

Einleitung

Eine Arzneimittelknappheit (auch Medikamentenknappheit) kann entweder ein vorübergehender Lieferengpass bei Arzneimitteln oder Diagnostika sein oder sie wird dadurch hervorgerufen, dass der Zulassungsinhaber das Mittel vom Markt nimmt, wodurch es zu einer dauerhaften Einstellung der Lieferungen in dem betroffenen Land kommt.

In den meisten Fällen ist Arzneimittelknappheit eine Sache der zuständigen nationalen Behörden. Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) kann in bestimmten Situationen auf den Plan treten, zum Beispiel wenn eine Arzneimittelknappheit mit Sicherheitsbedenken verbunden ist oder wenn sie mehrere EU-Mitgliedstaaten betrifft.

Ursachen für Arzneimittelknappheit

Arzneimittelknappheit kann viele Gründe haben, wie zum Beispiel:

  • Herstellungsprobleme oder Probleme mit der Qualität der Arzneimittel, die die Patientenversorgung beeinträchtigen können
  • unerwarteter Bedarf (wie bei einer Virusepidemie oder Naturkatastrophe)
  • Probleme finanzieller Art
  • Probleme in den Lieferketten

Aufgrund akuter oder chronischer Lieferengpässe hat es bereits einige öffentliche Gesundheitskrisen gegeben.

Die Ursachen dafür waren folgende (entweder einzeln oder in Kombination):

Probleme mit der Herstellungspraxis

Die Nichteinhaltung der so genannten Guten Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice, GMP), zum Beispiel Auffälligkeiten bei einer GMP-Inspektion aufgrund unzureichend kontrollierter Rohmaterialien, kann zu einem vorübergehenden Lieferengpass führen.

Qualitätsmängel

Wird in einer Produktionscharge ein Qualitätsmangel festgestellt, kann dieser dazu führen, dass die Charge nicht auf den Markt gelangen kann oder ein Arzneimittel zurückgerufen wird. Ein Beispiel wäre ein Maschinenfehler, bei dem ein steriles Arzneimittel kontaminiert wird.

Für den Fall einer Knappheit aufgrund von GMP-Nichteinhaltung oder Qualitätsmängeln regelt die EMA das weitere Vorgehen der Behörden (siehe Literaturliste unten) auf EU-Ebene. Die EMA führt eine öffentliche Liste von Fällen von Knappheit, die durch das Komitee für Arzneimittel für die Anwendung am Menschen (CHMP) und/oder den Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) beurteilt wurden. Diese dient der Information von Patienten, Medizinern und anderen Betroffenen über diese Knappheitsfälle.

Probleme in den Lieferketten

Viele Grundsubstanzen für die Wirkstoffe in lebensrettenden Arzneimitteln – beispielsweise Antibiotika – werden in Ländern außerhalb der EU eingekauft, von denen einige unsichere politische Systeme und Behörden haben oder durch Naturkatastrophen gefährdet sind, zum Beispiel den Tsunami 2011 in Japan.

Durch die Globalisierung der Produktion kann es dazu kommen, dass es nur eine oder wenige Produktionsstätten gibt, die weltweit liefern können. Gibt es dort ein Problem, kommt es weltweit zu Knappheit. Es kommt vor, dass einzelne wichtige Substanzen nur von einem einzelnen Zulieferer eingekauft werden.

Wirtschaftliche Gründe

  • Globale oder regionale Krisen, die sich auf den Gesundheitshaushalt eines Landes auswirken
  • Der Zulassungsinhaber nimmt ein Arzneimittel vom Markt, aus Gründen wie Zuverlässigkeit der Lieferkette, Vertriebskosten oder anderen geschäftlichen Gründen
  • Auswirkungen von Parallelimport/-export, wobei die für ein Land gedachten Bestände wegen unterschiedlicher Arzneimittelpreise in ein anderes Land umgeleitet werden.

Unerwarteter Bedarfsanstieg

Wenn ein Zulassungsinhaber in einen neuen Markt eintritt, unterschätzt er möglicherweise den Bedarf für das Arzneimittel. Dabei kommt es zum Ungleichgewicht zwischen dem geplanten Angebot und der tatsächlichen Nachfrage und somit zu einer vorübergehenden Knappheit.

Auch unvorhergesehene weltweite oder regionale Krisen wie zum Beispiel eine Grippe-Pandemie können zu unerwartet hoher Arzneimittelnachfrage führen.

Auswirkungen von Arzneimittelknappheit

Arzneimittelknappheit betrifft Patienten in vielerlei Hinsicht:

  • Es kann keine Behandlung stattfinden
  • Behandlungen werden unterbrochen (Auslassen von Dosen mit zuweilen ernsthaften Folgen)
  • Ein weniger wirksames oder teureres Alternativpräparat muss verschrieben werden (und wird nicht immer vom Kostenträger finanziert)
  • Risiko verstärkter unerwünschter Ereignisse (Nebenwirkungen)

Die europäischen Zulassungsbehörden versuchen, die Auswirkungen von Arzneimittelknappheit auf Patienten gering zu halten, indem sie

  • in Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen Herstellungs- und Vertriebsprobleme angehen,
  • mit internationalen Partnern Informationen über alternative Versorgungsquellen austauschen,
  • von Patienten und Medizinern Informationen über die Auswirkungen von Arzneimittelknappheit einholen, um die Entscheidungsfindung zu stützen,
  • Maßnahmen zur Nutzung alternativer Arzneimittel oder Zulieferer treffen.

Weitergehende Informationen

A2-5.16-v1.1